BVfK-Leitfaden: Der richtige Umgang mit Defektanzeigen unter Berücksichtigung des neuen Gewährleistungsrechts

BVfK-Leitfaden: Der richtige Umgang mit Defektanzeigen unter Berücksichtigung des neuen Gewährleistungsrechts

Das Zeitalter des Internets erlaubt die schnelle Informationsbeschaffung auch hinsichtlich aller Fragen rund um das Kfz. Die Antworten stimmen nicht immer, was auch oft mit der Fragestellung zu tun hat. Das führt in der Kfz-Branche dazu, dass viele Kunden der irrigen Annahme unterliegen, der Händler müsse für sämtliche während der Besitzdauer auftretenden Defekte haften. Dem ist bekanntlich auch nach Änderung des Gewährleistungsrechts nicht so. Dennoch kann der Händler im Moment der Kundenreklamation bereits vieles falsch machen, was später nur schwer zu korrigieren ist. Die BVfK-Formulare weisen den BVfK-Mitgliedsbetrieben den Weg.

1. Was sind die häufigsten Streitpunkte bei Auftritt eines Defekts?

Die korrekte Aufforderung zur Nachbesserung

Eine vorschnelle Zurückweisung der Reklamation (typisch: „Das ist Verschleiß!“; ebenfalls problematisch: „Das müssen Sie über die Garantie abwickeln.“) ist regelmäßig wenig ratsam, denn dadurch vergibt der Händler seine Chance auf Prüfung und öffnet dem Kunden u. U. die Tür zur so genannten „Selbstvornahme“ und möglicherweise unliebsamen Folgen, wenn dann am Ende Gutachter und Gericht auf Grundlage falscher Fakten entscheiden.

Nach Eingang einer Reklamation sollte der Händler jedenfalls „unverzüglich“ (d. h. ohne schuldhaftes Zögern) handeln. Auch ohne ausdrückliche Fristsetzung des Kunden tickt ab diesem Zeitpunkt die Uhr. Der Händler muss innerhalb einer angemessenen Frist für Abhilfe sorgen. Bei einem Fehlschlag des ersten Nachbesserungsversuchs sollte der Händler insbesondere seit der Gesetzesänderung unmittelbar und von sich aus die Möglichkeit einer zweiten Nachbesserungsmöglichkeit anbieten. Denn man kann die neuen Vorschriften so verstehen, dass dem Händler nunmehr generell nur noch ein Nachbesserungsversuch zusteht, wobei mehrere Reparaturversuche möglicherweise als ein Nachbesserungsversuch gewertet werden könnten, wenn ein solches Vorgehen technisch erforderlich ist. Wenn das nicht der Fall ist, besteht so die Chance, dass der Kunde sich von sich aus auf einen zusätzlichen Nachbesserungsversuch einlässt und von weiteren Gewährleistungsrechten wie z. B. dem Rücktritt zunächst absieht.

Beweislastumkehr/Verjährung

Ferner ist zu beachten, dass Mängelrechte des Kunden weiterhin nur in Betracht kommen, wenn der Defekt bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen hat bzw. zumindest in seiner Ursache angelegt war. Allerdings ist die Beweissituation in dieser Frage seit der Gesetzesänderung für den Händler noch ungünstiger geworden. Nunmehr wird für den Zeitraum von 12 Monaten – und damit für die gesamte Dauer der für den Gebrauchtfahrzeugverkauf zulässigen Reduzierung der Verjährungsfrist auf ein Jahr – zulasten des Händlers vermutet, dass der Defekt bereits von Beginn an vorhanden oder angelegt war. Der Händler muss sich also entlasten.

An dieser Stelle dürften Zustandsbeschreibungen des Fahrzeugs bei Übergabe z. B. durch den BVfK-Fahrzeugcheck ihren Zweck nicht verfehlen. Zudem sollte genau geprüft werden, ob die vom Kunden beanstandeten Defekte überhaupt mit dem der Beweislastumkehr zugrunde liegenden Gedanken der Rückwirkungsvermutung (der Defekt lag zumindest ansatzweise bei Übergabe vor) zu vereinbaren sind (i. d. R. nicht bei Verschleiß, offensichtlichen Beschädigungen, die nachweislich bei Übergabe nicht vorgelegen haben, den meisten elektrischen und elektronischen Bauteilen etc.). Aber auch hier gilt: Nicht vorschnell ablehnen, sondern Spezialisten befragen, die sich mit solchen Problemen auskennen. Ein z. B. verhältnismäßig früh wegen Feuchtigkeit ausgefallenes Steuergerät, welches sich im Bereich eines eigentlich vom Hersteller zu verantwortenden notorisch undichten Schiebedachablaufs befindet, könnte für den Händler zum Problem werden, denn die Ursache für den Fehler lag bereits bei „Geburt“ und somit lange vor Übergabe vor und letztendlich haftet der Händler verschuldensunabhängig.

Allerdings unterliegen Ansprüche des Kunden der Verjährung. Hier ist insbesondere zu prüfen, ob der Gewährleistungsausschluss bei gebrauchten Fahrzeugen wirksam auf ein Jahr reduziert wurde. Hierbei ist für alle Verträge seit dem 1. Januar 2022 dringend zu berücksichtigen, dass eine Verjährungsreduzierung per AGB-Klausel nicht mehr wirksam ist. Die Verjährung kann nur noch wirksam auf ein Jahr reduziert werden, wenn der Kunde vor Abgabe der verbindlichen Bestellung von der Verkürzung der Verjährungsfrist in Kenntnis gesetzt worden ist, und die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart worden ist. Setzt man die Anforderungen der neuen Vorschriften nicht um, darf der Kunde auch beim Gebrauchtfahrzeugkauf zwei Jahre lang Ansprüche geltend machen. Der BVfK hat seine Vertragsdokumente für den Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs an Privat entsprechend gestaltet.

Ab wann ist von natürlichem Verschleiß auszugehen?

Der wohl häufigste Einwand des Händlers lautet: „Das ist ein Verschleißteil, dafür muss ich nicht einstehen!“. Natürlich trifft es zu, dass bei Erreichen der bauteilspezifischen Verschleißgrenze eine Sachmängelhaftung ausscheiden dürfte. Allerdings ist diese stets individuell zu bestimmen und obliegt im Streitfall der (oft unberechenbaren) Einschätzung eines Sachverständigen. In der Rechtsprechung haben sich viele Beispielsfälle herausgebildet, an denen man sich orientieren kann. Allerdings könnte sich die Verschleißgrenze bei einigen Bauteilen aufgrund fortschreitender Technologie ausdehnen, sodass ehemals festgestellte Richtwerte unter Umständen nicht mehr angewendet werden können. Andererseits experimentieren Hersteller oft auf Kosten des Gebrauchtwagenhandels, was z. B. dazu führt, dass neu konstruierte Automatikgetriebe wesentlich früher ihre Funktion einstellen als die der vergleichbaren Konkurrenz, was zu einer Händlerhaftung führen könnte. Von der schlichten Zurückweisung von Ansprüchen aufgrund im Raum stehender Verschleißerscheinungen ist daher dringend abzuraten! Das kann unter Umständen als Verweigerung der Nacherfüllung ausgelegt werden, sodass dem Käufer sogar ein sofortiges Rücktrittsrecht eingeräumt würde, vorausgesetzt der Defekt ist hierfür erheblich genug. Unabhängig davon gilt es stets zu prüfen, ob nicht Bedienungsfehler oder mangelnde Wartung die Ursache für einen Defekt sein können. Hierfür muss der Händler regelmäßig nicht haften.

Vertragliche Vereinbarungen

Äußerst wichtig ist die Auswertung sämtlicher Unterlagen, insbesondere des Kaufvertrags. Sind dort etwa Vereinbarungen getroffen worden, die bestimmte Defekte von der Sachmängelhaftung ausnehmen, da auf ihr Vorhandensein oder möglicherweise baldiges Auftreten konkret hingewiesen wurde? Sind Unfallschäden nach Art und Umfang korrekt beschrieben worden? Hat der Kunde die Verbraucherinformation zum Gebrauchtwagenkauf unterzeichnet, damit die vorvertragliche Aufklärung des Kunden dokumentiert werden kann? Wurde der BVfK-Fahrzeugcheck ausgefüllt? Und halten alle Geschäftsbedingungen einer rechtlichen Prüfung stand? Viele Fragen und leider noch wesentlich mehr mögliche Antworten, denn Vereinbarungen zwischen den Parteien sind stets auslegungsbedürftig. Auch hier gilt also: Nicht vorschnell und ohne juristischen Rat von der günstigsten Auslegungsvariante ausgehen!

2. Wie gehe ich mit der Defektanzeige um?

Sind alle Präzisierungsmaßnahmen getroffen, wie die möglichst genaue Beschreibung vorhandener Defekte in den Vertragsdokumenten und das Ausfüllen des BVfK-Fahrzeugchecks, haben Sie schon einmal gute Vorarbeit geleistet. Darüber hinaus empfehlen wir die Aushändigung des BVfK-Informationspapiers zu Gewährleistungsfragen.

Aber auch das Reklamationsmanagement kann von entscheidender Bedeutung sein. Hierfür hat der BVfK das Formular BVfK-Defektanzeige entwickelt, das zur Aushändigung an den Kunden bei jeder Meldung eines Defekts gedacht ist. So wird dort ggf. ein expliziter Prüf- und nicht zwingend ein Nachbesserungsauftrag erteilt. Der Kunde hat die Möglichkeit, Angaben zu Defekten und Verschleißerscheinungen zu machen und den Fahrzeugstandort anzugeben. Auch der Zustand kann dokumentiert werden, damit es hinterher nicht zu Missverständnissen kommt. Eine saubere Dokumentation kann viel Arbeit ersparen und Rechtssicherheit schaffen.

Insgesamt gilt: Je besser die Vorsorge und professioneller der Umgang mit Reklamationen, umso geringer die Probleme. Dazu mag auch ein zuverlässiger Garantiepartner beitragen, wenn dieser sein Handeln immer auch unter Berücksichtigung der Gewährleistungspflichten mit dem Händler abstimmt und nicht vorschnell die Leistung ablehnt. Dies würde dem Händler u. U. als Ablehnung der Nachbesserung zugerechnet. Wer das komplette Reklamationsmanagement inkl. rechtlicher Begleitung und Prozesskostenhilfe outsourcen möchte, findet wohl kaum eine bessere Lösung als die des BVfK-Garantiekonzepts, einer Autohändler-Vollkasko, die ihresgleichen sucht.

Ihre BVfK-Rechtsabteilung

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