Wo liegt der Ort der Nacherfüllung?

Wo liegt der Ort der Nacherfüllung?

Rechtliche und strategische Überlegungen, wenn sich der Kunde beschwert
Es bleibt leider nicht aus, dass bei einem verkauften Fahrzeug nach Übergabe einmal ein Problem auftritt, bei dem eine Haftung des Verkäufers zumindest nicht auf den ersten Blick ausgeschlossen werden kann. Doch welche Möglichkeiten haben Sie, wenn ein Kunde etwas am Fahrzeug auszusetzen hat und sich wegen Abhilfe bei Ihnen meldet?
Die erste Devise lautet: „Bleiben Sie Herr des Verfahrens!“ Sie haben im Rahmen der Nachbesserung grundsätzlich freie Hand. Die Wahl der Mittel und die Art und Weise der Nachbesserung stehen in Ihrem Ermessen.

Ort der Nacherfüllung?
Dieser Grundsatz zeigt sich insbesondere daran deutlich, dass Ihnen nach der Rechtsprechung des BGH das Recht eingeräumt wird, das Fahrzeug nach einer Beanstandung in der Regel an Ihrem Betriebssitz zu untersuchen. Solange Sie mit dem Käufer nichts Abweichendes vereinbart haben, können Sie also von ihm verlangen, dass er das Fahrzeug bei Ihnen vorbeibringt. Hierfür spricht auch der praktische Aspekt, dass eine Überprüfung des Fahrzeugs am Betriebssitz des Verkäufers mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten oftmals besser durchgeführt werden kann.
Doch keine Regel ohne Ausnahme. In diesem Zusammenhang hat der europäische Gesetzgeber die Begrifflichkeit der „erheblichen Unannehmlichkeit“ geprägt. Eine solche darf es für den Käufer nämlich nicht sein, wenn er das Fahrzeug zu Ihnen bringen muss. Er soll nicht wegen übermäßigen Aufwands von der Geltendmachung berechtigter Ansprüche abgehalten werden. Hierbei dürfte die Grenze zur erheblichen Unannehmlichkeit jedoch relativ hoch angesiedelt sein. So hat das AG Wedding bereits 2013 eine Entfernung von 600 Kilometern zum Verkäufer als nicht unzumutbar für eine Vorführung des Fahrzeugs zur Überprüfung angesehen. Es gibt jedoch auch verbraucherfreundliche Entscheidungen. Das LG Frankfurt beispielsweise war 2015 der Ansicht, dass der Käufer das Fahrzeug nicht beim Verkäufer vorführen musste, obwohl die Distanz lediglich 25 Kilometer betrug. Entscheidend für das Gericht war, dass das Fahrzeug nicht fahrbereit war.
Gehen wir jedoch davon aus, dass Sie in den weit überwiegenden Fällen eine Vorführung des Fahrzeugs verlangen können. Wer aber zahlt das?

BGH und § 475 VI BGB: Fahrzeugvorführung nur gegen Vorschuss!
Es gilt der Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung. Dies bedeutet, dass die Kosten im Gewährleistungsfall den Verkäufer treffen. In diesem Zusammenhang hat es in der jüngeren Vergangenheit zusätzlich grundlegende Veränderungen gegeben. Sowohl der BGH als auch das Gesetz seit dem 01.01.2018 in § 475 VI BGB sehen vor, dass der Käufer einen angemessenen Vorschuss auf seine Kosten verlangen kann, wenn der Verkäufer das Fahrzeug an seinem Betriebssitz überprüfen möchte. Dies ist nicht unproblematisch. Denn zahlt der Verkäufer den Kostenvorschuss nicht, kann darin möglicherweise eine Verweigerung der Nacherfüllung gesehen werden. Um dem zu entgehen, muss der Verkäufer also erstmal in Vorleistung gehen oder das Fahrzeug abholen.

Rückforderung bei unberechtigter Mängelrüge?
Unglücklicherweise geht das Gesetz bei der Kostenfreistellung des Käufers davon aus, dass auch tatsächlich ein Gewährleistungsfall vorliegt. Das hilft in der Praxis nicht immer weiter, denn oftmals soll durch den Termin zur Überprüfung erst festgestellt werden, ob der Verkäufer für den angeblichen Defekt auch haften muss. Stellt sich dabei heraus, dass ein Mangel nicht besteht oder auf gewöhnlichem Verschleiß oder unsachgemäßer Behandlung durch den Käufer beruht, kann der Verkäufer nur schwer Ersatz der Überführungs- und Überprüfungskosten vom Käufer verlangen. Er muss darlegen und beweisen, dass der Käufer wusste oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass das Fahrzeug nicht mangelhaft ist. Daher kann es empfehlenswert sein, nach Eingang der Defektanzeige eine Absprache mit dem Käufer zur Verteilung der anfallenden Kosten zu treffen.

Strategie?
Letztlich muss das Beharren auf Grundsätzen nicht immer der strategisch beste Weg sein. Streiten Sie sich nicht um u. U. nebensächliche Dinge. Wenn der Käufer das Fahrzeug partout nicht bei Ihnen vorbeibringen möchte, Sie aber auch nicht nachgeben möchten, laufen Sie möglicherweise Gefahr, sich keinen eigenen Eindruck von den genauen Umständen und Ursachen machen zu können, was auch zu entlastenden Erkenntnissen führen kann. Zudem bleibt im Falle der tatsächlichen Gewährleistungspflicht die Möglichkeit kostengünstiger, zeitwertgerechter Instandsetzung ungenutzt. Jeder weiß: Z. B. bei einem Motorschaden kann der Unterschied schnell einige tausend Euro betragen. Deshalb ziehen Sie alternative Möglichkeiten wie eine Abholung des Fahrzeugs oder ggfs. die BVfK-Kollegenhilfe bei der Überprüfung des Fahrzeugs in Erwägung!

Ihre BVfK-Rechtsabteilung
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