Widerrufsrecht im Fernabsatzhandel

Widerrufsrecht im Fernabsatzhandel – In Zeiten von Corona wichtiger denn je!

Die Corona-Fallzahlen sinken kontinuierlich. Vielerorts ist Click & Meet schon wieder möglich, aber auch dort, wo Fahrzeugabholung und -besichtigung per Click & Collect möglich sind (vgl. „Flickenteppich“), kann stationärer Autohandel erfolgen. Gleichwohl haben viele Händler Ihre Fernabsatzkanäle zur Abwehr drohender Umsatzverluste wie auch zur Vorbereitung auf hoffentlich vermeidbare erneute Lockdown-Phasen ausgebaut und stellen sich infolgedessen oftmals die Frage, unter welchen Bedingungen Verträge im Fernabsatzhandel widerrufen können. Antworten erhalten Sie im nachfolgenden Überblick

Ab wann spricht man von Fernabsatz?

Fernabsatzverträge liegen immer dann vor, wenn der Vertragsschluss ausschließlich durch Fernkommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Fax, etc.) erfolgt. Als weitere Voraussetzung sieht das Gesetz vor, dass das Vertriebssystem des Händlers auf den Fernabsatzhandel ausgelegt ist. Nach teilweise vertretener Auffassung soll das nicht der Fall sein, wenn der Versand von Ware nur gelegentlich erfolgt und diese in der Regel am Betriebssitz des Verkäufers abzuholen ist. Dieser Auffassung ist allerdings mit Skepsis zu begegnen, denn dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung reicht es aus, wenn ein System zum fernmündlichen Vertragsschluss etabliert wurde – auf die Häufigkeit und systematische Umsetzung des Warenversands komme es hingegen nicht an.

Ein Recht zum Widerruf entsteht hingegen nicht, wenn der Käufer zu irgendeinem Zeitpunkt vor Vertragsschluss Gelegenheit hatte, das Fahrzeug zu besichtigen. Beispiel: Der Käufer bekundet per E-Mail sein Kaufinteresse. Sie senden ihm daraufhin ein Bestellformular zu. Daraufhin sucht er Ihr Betriebsgelände auf und schaut sich das Fahrzeug an, fährt anschließend wieder nach Hause und schickt Ihnen die unterschriebene Bestellung wiederum per E-Mail zu.

In einem solchen Fall wäre der Vertrag nicht unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen, da der Käufer im Rahmen der Vertragsverhandlungen von einer Besichtigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Ein Widerrufsrecht besteht demnach nicht.

Wie lange läuft die Widerrufsfrist?

Innerhalb von 14 Tagen ab Übergabe des Fahrzeugs hat der Käufer Gelegenheit, seine auf den Vertrag gerichtete Erklärung schriftlich oder sogar mündlich zu widerrufen. Natürlich kann der Widerruf bereits vor Übergabe der Ware erfolgen, was in den meisten Fällen sogar günstiger sein dürfte, da das Fahrzeug dann einfach anderweitig veräußert werden kann.

Muss der Käufer zwingend über sein Widerrufsrecht belehrt werden? 

Ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung und Aushändigung eines ausfüllbaren Widerrufsformulars verlängert sich die gesetzlich vorgesehene Widerrufsfrist von 14 Tagen ab Übergabe des Fahrzeugs um ein weiteres Jahr. Werden Belehrung und Widerrufsformular nachträglich ausgehändigt, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist ab Erhalt der Dokumente zu laufen. Informationen für den Käufer, ein Muster-Widerrufsformular sowie eine Muster-Widerrufsbelehrung, die Sie individuell anpassen können, finden Sie im BVfK-Mitgliederbereich.

Hat der Käufer im Falle des Widerrufs Wertersatz zu leisten?

Sinn und Zweck des Widerrufsrechts ist die Prüfung und Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs in einem Umfang, wie er auch im Ladenlokal möglich wäre. So darf der Käufer das Fahrzeug zwar weniger Kilometer außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs zu Testzwecken bewegen. Jedoch führt bereits die Zulassung des Fahrzeugs zu einem Wertverlust, der mit der Intention des Widerrufsrechts nicht mehr vereinbar und daher auszugleichen ist. Auch am Fahrzeug vorgenommene Modifikationen und Beschädigungen sind selbstverständlich in Abzug zu bringen.

Wir empfehlen, dem Kunden bei Abholung des Fahrzeugs deutlich zu machen, er möge den Widerruf bei nachgelassenem Interesse lieber sofort erklären, da er in angemessenem Umfang für ab dann eintretenden Wertverlust einzustehen habe. In der Regel dürfte dann nach erfolgter Übergabe nur noch selten eine Widerrufserklärung ins Haus flattern. Der BVfK hat hierzu eine Verbraucherinformation entwickelt, die im BVfK-Mitgliederbereich abgerufen werden kann. Danach hat der Kunde bei Gebrauchtfahrzeugen 15, bei Neufahrzeugen 20 % Wertersatz zu leisten. Während sich die 20-prozentige Wertminderung bei Neufahrzeugen etabliert hat, ist die 15-prozentige Wertminderung bei Gebrauchtfahrzeugen diskutabel und richtet sich im Zweifel nach dem individuellen Fahrzeug.

Gilt das Widerrufsrecht auch gegenüber Unternehmern?

Grundsätzlich nicht, allerdings gibt es eine gerichtliche Mindermeinung, wonach dies ausnahmsweise doch der Fall sein soll, wenn die Widerrufsbelehrung nicht auf Verbraucher beschränkt wird. Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie Unternehmern Widerrufsbelehrungen zur Vermeidung von Missverständnissen gar nicht erst aushändigen.

Anmerkung der BVfK-Rechtsabteilung

Die korrekte vertragliche Gestaltung von Fernabsatzverträgen stellt oftmals eine Herausforderung dar. Um diese zu meistern, sind folgende Aspekte wichtig:

  1. Fahrzeuge im Vorfeld wahrheitsgemäß und umfassend beschreiben, um Gründe für Ausübung des Widerrufsrechts zu minimieren.
  2. Widerrufsbelehrung und -formular vor Vertragsschluss aushändigen, sofern Fernabsatzgeschäft gegenüber Verbrauchern.
  3. Falls möglich, Besichtigung des Fahrzeugs vor Vertragsschluss ermöglichen. In diesem Fall sind Widerrufsbelehrung und -formular entbehrlich bzw. sogar schädlich, denn wer über ein ihm zustehendes Recht belehrt wurde, kann es wahrscheinlich auch in Anspruch nehmen.
  4. BVfK-Verbraucherinformation mit Hinweis auf Wertersatzpflicht vom Käufer unterzeichnen lassen bzw. Käufer anderweitig über Folgen des Widerrufs in Kenntnis setzen.

 

Schließlich sei an dieser Stelle die Nutzung der BVfK-Autowelt (www.bvfk-autowelt.de) nahegelegt, die allen BVfK-Mitgliedern zur Verfügung steht und in die nicht nur eine Menge Arbeit, sondern auch viel Herzblut geflossen ist. Neben umfangreichen allgemeinen Geschäftsbedingungen profitieren Sie auch von der Online-Direktkauffunktion, die gerade in Zeiten von Corona eine echte Alternative darstellt.

Bei Rückfragen und für individuelle Prüfungen steht Ihnen die BVfK-Rechtsabteilung selbstverständlich auch persönlich zur Verfügung!

Ihre BVfK-Rechtsabteilung

> Zurück zum BVfK-Wochenendticker