Von drastischen Preiserhöhungen, Lieferverzögerungen und Lieferausfällen

Von drastischen Preiserhöhungen, Lieferverzögerungen und Lieferausfällen

Auch wenn ein Marktforschungsinstitut in dieser Woche zum Ergebnis kam, dass der Neuwagenmarkt gar nicht schlecht dastehe, sind die Folgen der Fahrzeugknappheit unübersehbar. In der BVfK-Rechtsabteilung steigen die Fallzahlen aus dem Neuwagenbereich. Lieferanten erhöhen die Fahrzeugpreise deutlich, bereits im Vorlauf befindliche Fahrzeuge verschwinden plötzlich von den entsprechenden Listen, Bestellungen werden storniert. Der verärgerte Kunde macht Druck und die Lage für den Endkundenhändler damit heikel. Denn es gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind. Die BVfK-Rechtsabteilung beleuchtet mögliche Auswege.

Preiserhöhungen an Endkunden weitergeben

Es ist nicht generell untersagt, sich im Vertrag mit dem Endkunden eine Preiserhöhung vorzubehalten. Daher mag es überraschen, dass die in der Branche gängigen Vertragswerke keine Preisanpassungsklauseln (mehr) enthalten. Hintergrund hierfür dürfte sein, dass die Rechtsprechung in der Vergangenheit mehrfach derartige Klauseln als unzulässig verworfen hat. So mancher Händler ist wegen der Verwendung einer Preisanpassungsklausel sogar abgemahnt worden. Die Anforderungen an wirksame Preisanpassungsklausel sind schlicht enorm (im Einzelnen hierzu BVfK-Wochenendticker vom 18. Dezember 2021). Im Grunde verlangt die Rechtsprechung beinahe die Quadratur des Kreises: Eine Preisanpassungsklausel in AGB darf nicht allgemein gehalten sein. Denn der Kunde muss den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerung aus der Formulierung der Klausel erkennen können. Wird die Klausel dann im Bemühen um Transparenz konkret mit den möglichen Faktoren der Preissteigerung gefasst, besteht die Gefahr der Intransparenz. Dies macht die Klausel aber wieder unzulässig.

Weniger riskant ist eine Individualvereinbarung (z. B. durch handschriftlichen Vermerk im Vertrag), die nicht den strengen AGB-Anforderungen genügen muss. Zulässig soll dann nach dem Amtsgericht München die Vereinbarung sein, dass der am Tag der Lieferung gültige Listenpreis berechnet wird. Welcher Kunde sich darauf einlassen soll, wird von dort nicht beantwortet.

Fehlt eine Vereinbarung über mögliche Preiserhöhungen, kann nur noch das Gesetz weiterhelfen. Tatsächlich findet sich eine Norm, die eine Anpassung des Vertrags ermöglicht, wenn sich – sinngemäß – für den Vertrag grundlegenden Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und einer Partei ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Das passt doch genau, wenn der Lieferant plötzlich so viel mehr für das Fahrzeug verlangt, dass sich das mit dem Endkunden abgeschlossene Geschäft nicht mehr rentiert, mag man bei vernünftiger Betrachtung nicht nur aus Händlersicht denken. Sicher ist dies jedoch nicht. Denn es wird auch berücksichtigt, dass der Händler das Risiko bei Schwierigkeiten mit der Beschaffung des Fahrzeugs trägt. So steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass ein vereinbarter Festpreis auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen grundsätzlich bindend ist. Nur in Fällen, in denen es zu einem krassen Missverhältnis kommt, kann eine Anpassung ausnahmsweise in Betracht kommen.

Angesichts der derzeitigen Lage mag es daher helfen, mit dem Endkunden bei Vertragsschluss eine Abrede über etwaige Preiserhöhungen zu treffen. Die BVfK-Rechtsabteilung arbeitet an einer – möglichst rechtssicheren – Zusatzvereinbarung.

Lieferverzug und Lieferausfall

Vielleicht ist es aktuell schon fast die Regel, dass der dem Kunden zugesagte Liefertermin nicht eingehalten werden kann. Es ist für den Händler wohl wichtiger denn je, nur bei seriösen Lieferanten zu bestellen. Zudem dürfte es sicherer sein, nicht zu voreilig Verträge mit Endkunden zu schließen. In diesen Verträgen sollten nicht nur möglichst lange und unverbindliche Liefertermine vereinbart sein, sondern von vornherein Hinweise auf die derzeitige Knappheit und die möglichen Folgen für die Lieferzeit erfolgen. Auch während der Lieferzeit sollte der Kunde über etwaige Veränderungen der Liefersituation informiert gehalten werden. Womöglich kann durch einen ständigen Austausch schon in diesem Stadium späterem Ärger vorgebeugt werden.

Droht doch der Streit, kann das richtige Vertragswerk helfen. Um solchen Situationen, in die Händler völlig schuldlos geraten können, beikommen zu können, gibt es im BVfK-Neuwagenvertrag eine sog. Selbstbelieferungsklausel. Dadurch soll der Händler von seiner Pflicht zur Lieferung des Fahrzeugs befreit werden, wenn er es unverschuldet (z. B. wegen Nichtbelieferung durch den Vorlieferanten, Streik oder sonstige höhere Gewalt) nicht oder nur erheblich verspätet liefern kann. Der Händler sollte dafür den Nachweis erbringen können, dass er selbst eine deckungsgleiche Bestellung beim Vorlieferanten abgegeben hat, und sich von diesem die Nichtlieferung bestätigen lassen. Zudem ist der Kunde in solchen Fällen unverzüglich zu informieren.

Schadensersatz

Mitunter gibt es unter den Kunden auch die Hardliner, die trotz Kenntnis der schwierigen Situation auf rechtzeitige Vertragserfüllung bestehen und mit rechtlichen Schritten bei Verzögerung oder Lieferausfall drohen. Dies kann teuer werden, wenn sich plötzlich z. B. um die Übernahme der Kosten für einen Anwalt oder aber für einen Mietwagen zur Überbrückung gestritten wird. Solche Schadensersatzansprüche des Kunden sind im BVfK-Neuwagenvertrag im Rahmen des gesetzlich Zulässigen ausgeschlossen. Zudem bestehen Ansprüche der Kunden nicht, wenn dem Händler der Nachweis gelingt, dass er die Lieferverzögerung bzw. die Nichtlieferung nicht zu vertreten hat. Die BVfK-Rechtsabteilung meint, dass betroffenen Händlern diese Entlastung unter Verweis auf einen bisher nicht gekannten Ausnahmezustand wie die Pandemie und ihre Folgen gelingen sollte. Problematisch könnte es aber werden, wenn der Händler in Kenntnis der aktuellen Belieferungsschwierigkeiten und Lieferfristüberschreitungen eine voraussichtlich nicht einhaltbare Terminzusage macht.

 

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