„TÜV neu“ – Was verspricht der Händler seinen Kunden damit eigentlich? Welche Rolle spielt eine eigene Werkstatt? Und was passiert bei Fehleinschätzungen des TÜV-Prüfers?

„TÜV neu“ – Was verspricht der Händler seinen Kunden damit eigentlich? Welche Rolle spielt eine eigene Werkstatt? Und was passiert bei Fehleinschätzungen des TÜV-Prüfers?

Das Vertrauen der Kunden in die Prüforganisationen scheint nahezu grenzenlos zu sein. Eine neue Prüfplakette gilt bei Interessenten für Gebrauchtfahrzeuge daher als besonderes Prädikat. Hinweise auf die nächste Hauptuntersuchung fehlen infolgedessen in keiner Anzeige und keinem gängigen Kaufvertragsformular. Bei Angaben wie „TÜV neu“, „HU Neu“ oder „TÜV 2 Jahre“ kann der Händler trotz vor Auslieferung erteilter Plakette Schwierigkeiten mit seinem Kunden bekommen, wenn das Fahrzeug doch nicht verkehrssicher ist. Dabei kann er sich regelmäßig nicht darauf berufen, der TÜV-Prüfer habe offenbar geschludert.

Sagt der Händler dem Kaufinteressenten zu, das Fahrzeug vor der Übergabe noch über den TÜV zu bringen, bedeutet dies laut BGH – zumindest für einen Händler mit eigener Werkstatt – Folgendes:

  1. Das Fahrzeug wird durch eine amtlich anerkannte Prüforganisation geprüft und abgenommen.
  2. Das Fahrzeug befindet sich im Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer in einem bis auf geringe Mängel vorschriftsmäßigen Zustand, ist also insbesondere verkehrssicher.

Während der erste Punkt selbstverständlich sein dürfte, ist die Reichweite der zweiten BGH-Aussage womöglich nicht jedem Händler bewusst. Das Fahrzeug darf keine „erheblichen Mängel“ oder „gefährlichen Mängel“ im Sinne der HU-Mängelklassen aufweisen. Die Krux hieran ist: Der Händler trägt das Risiko einer Fehldiagnose des TÜV-Prüfers. Ist das Fahrzeug also ungeachtet der erteilten TÜV-Plakette nicht verkehrssicher (z. B. wegen massiv korrodierter Bremsleitungen wie in einer BGH-Entscheidung aus 2015), kann der Händler hierfür haftbar gemacht werden.

Nach den Erfahrungswerten der BVfK-Rechtsabteilung stellen sich widersprechende TÜV-Berichte nicht die absolute Ausnahme dar. Offenbar verbringen nicht wenige Kunden ihre mit frisch ausgestellter Plakette erworbenen Fahrzeuge – insbesondere wenn sie bald nach Übergabe Unregelmäßigkeiten am Fahrzeug vermuten – nochmals zum TÜV-Prüfer ihres Vertrauens. Stellt dieser erhebliche Mängel fest, ist die erboste Meldung an den Händler gewiss:

„Das Fahrzeug hätte niemals durch den TÜV kommen dürfen!“

Nicht selten wird dann übereifrig behauptet, der Händler habe mit dem ihm bekannten TÜV-Prüfer dafür gesorgt, dass das Fahrzeug die Plakette erhält. Obschon dem Händler tatsächlich kein Vorwurf zu machen ist, dürfte es vielmals nur schwer zu vermeiden sein, dass in der Beziehung zum Kunden schon unmittelbar nach dem Kauf und mit gerade erst angelaufener Gewährleistungszeit erste Vertrauensverluste eintreten.

Genau in diese Kerbe schlagen dann Rechtsanwälte, die unter Berufung auf das oben genannte Urteil des BGH aus 2015 wegen nachhaltigen Vertrauensverlusts einen sofortigen Rücktritt für den Kunden erklären. Die gute Nachricht für den Händler: Das BGH-Urteil ist auch nur eine Einzelfallentscheidung und rechtfertigt nicht automatisch die Rückabwicklung. Grundsätzlich ist selbst bei tatsächlich nicht verkehrssicherem Zustand des Fahrzeugs dem Händler zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben.

Höchstrichterlich ungeklärt ist bisher, ob auch der Händler ohne eigene Werkstatt nach den vorgenannten Grundsätzen haftet. Das OLG Köln hat sich in dieser Konstellation bereits 1998 gegen eine Haftung des Händlers ausgesprochen:

„Verfügt ein Gebrauchtwagenhändler nicht über eine eigene Werkstatt, dann liegt in dem Vermerk TÜV neu im Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen nicht die Zusicherung des Händlers, das Fahrzeug werde nach einer noch vorzunehmenden Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO bei der Übergabe an den Käufer verkehrssicher sein.“

Habe der Händler keine eigene Werkstatt, könne der Käufer nicht erwarten, dass der Händler die Voraussetzungen für eine erfolgreiche TÜV-Abnahme schaffe.

Ebenfalls offen ist, welche Anforderungen in dem Zusammenhang an den Werkstattbegriff zu stellen sind. Dem LG Köln hat beispielsweise eine kleine Wartungshalle genügt, um den Händler als Betrieb mit eigener Werkstatt einzuordnen.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass der TÜV vor Gericht nahezu unantastbar ist. Bei Fehlbegutachtungen durch die Prüforganisationen bestehen daher nur geringe Chancen, Regressansprüche durchzusetzen. Verklagt werden müsste in solchen Fällen das jeweilige Bundesland. Allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Amtsmissbrauchs bestünden Erfolgsaussichten. Hierfür gelten in etwa die strengen Voraussetzungen wie sie z. B. in den Dieselskandalfällen gegen VW angenommen wurden: Es müsste erwiesen sein, dass der TÜV-Prüfer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einen anderen vorsätzlich geschädigt hat.

BVfK-Rechtsabteilung

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