Corona, Halbleitermangel & Co. bringen den Fahrzeugmarkt in Schieflage – Haftungsfragen bei ausbleibender Eigenbelieferung

Corona, Halbleitermangel & Co. bringen den Fahrzeugmarkt in Schieflage – Haftungsfragen bei ausbleibender Eigenbelieferung

Die Halbleiterkrise sorgt dafür, dass derzeit viel weniger Fahrzeuge produziert werden können. Lieferschwierigkeiten bei bereits bestellten Fahrzeugen sind die Folge, Liefertermine können nicht eingehalten werden. Angenommene Bestellungen werden komplett storniert. Dadurch droht Ärger von Kunden. Der BVfK-Neuwagenvertrag sieht für die Fälle ausbleibender Selbstbelieferung eine spezielle Regelung vor. Dennoch sollte man vor Weiterverkauf auch sorgfältig die Qualität der Wahrscheinlichkeit der Eigenbelieferung prüfen und diese vertraglich absichern.

Die gesamte Branche leidet derzeit unter der Halbleiterkrise, ausgelöst durch die Pandemie. Lieferwege haben sich verändert, zudem wurden durch Unwetter wichtige Produktionsstätten zerstört. Die verringerte Fahrzeugproduktion wirkt sich aus. Viele Händler können mit ihren Kunden vereinbarte Liefertermine nicht halten. Wenn auch ein Großteil der Kunden Verständnis für die Situation zeigt und eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann, gibt es auch die Hardliner, die auf rechtzeitige Vertragserfüllung bestehen und mit rechtlichen Schritten bei Verzögerung drohen. Dies kann für den Händler mitunter teuer werden, wenn sich plötzlich z. B. um die Übernahme der Kosten für einen Anwalt oder aber für einen Mietwagen zur Überbrückung gestritten wird.

So wie der Käufer sich bei Abschluss des Kaufvertrags zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, hat der Händler dafür Sorge zu tragen, das Fahrzeug zu liefern. Ihn trifft das Beschaffungsrisiko. Dieses Risiko steigt je weiter der Händler vom Herstellungsprozess und von der anschließenden Verteilung und Auslieferung des Fahrzeugs entfernt ist. Soll heißen: Was bei Lagerfahrzeugen kein Problem ist, kann bei Bestellfahrzeugen insbesondere für fabrikatsunabhängige Neufahrzeughändler, die das Neufahrzeug regelmäßig im Ausland beschaffen müssen, kritisch werden. Denn bekanntlich befindet sich der freie Neufahrzeughändler ist einer speziellen Rolle. In Zeiten selektiver Herstellervertriebssysteme dürfte der freie Händler grundsätzlich nur als Vermittler im Endkundenauftrag agieren und die Fahrzeuge für diesen bei Importeuren oder Vertragshändlern beschaffen. Auch um dem eigenen Kunden als Ansprechpartner vor Ort dienen zu können, tritt der freie Händler dennoch oftmals nicht als bloßer Vermittler, sondern als Verkäufer auf. Damit droht er, in eine Haftungsfalle zu geraten. Denn regelmäßig hat er z. B. bei Lieferverzögerungen oder gar Lieferausfall keine Regressmöglichkeiten gegenüber dem Hersteller. Der Rückgriff auf den unmittelbaren Lieferanten wird nicht selten gemieden, um die Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden, und läuft ohnehin ins Leere, wenn der Vertrag mit dem Lieferanten auf den Endkunden lautet.

Es ist dennoch empfehlenswert, der Qualität der Eigenbelieferung ein besonderes Augenmerk zu widmen. Wie professionell und seriös arbeitet mein Lieferant, besonders wenn sich sein Geschäftssitz nicht in Deutschland befindet? Operiert er nur mit einer geschickt gestalteten Website, oder steckt hinter großem Schein auch entsprechendes Sein? Rechtzeitiges Nachfragen beim BVfK kann da weiterhelfen, denn dort kennt man die vertrauenswürdigen Lieferanten und auch oft die schwarzen Schafe. Zur Qualität der Eigenbelieferung gehört auch die vertragliche Seite. Sind AGB und Vertragsinhalt so gestaltet, dass man seine Ansprüche auf Belieferung auch durchsetzen kann, wenn der Lieferant nicht selbst Opfer eines unvermeidbaren Lieferausfalls geworden ist?

Um dieser Situation, in die Händler schuldlos geraten können, beikommen zu können, gibt es im BVfK-Neuwagenvertrag eine sog. Selbstbelieferungsklausel. Dadurch soll der Händler von seiner Pflicht zur Lieferung des Fahrzeugs befreit werden, wenn er es unverschuldet (z. B. wegen Nichtbelieferung durch den Vorlieferanten, Streik oder sonstige höhere Gewalt) nicht oder nur erheblich verspätet liefern kann. Der Händler sollte dafür den Nachweis erbringen können, dass er selbst eine deckungsgleiche Bestellung beim Vorlieferanten abgegeben hat. Zudem ist der Kunde in solchen Fällen unverzüglich zu informieren.

Die oben aufgezeigten Schadensersatzansprüche des Kunden sind im BVfK-Neuwagenvertrag im Rahmen des gesetzlich Zulässigen ausgeschlossen. Doch hier sollten Händler aufpassen. So kann es z. B. grob fahrlässig sein, wenn der Händler in Kenntnis der aktuellen Belieferungsschwierigkeiten und Lieferfristüberschreitungen eine voraussichtlich nicht einhaltbare Terminzusage macht. Händler sollten daher im Kaufvertrag nicht nur möglichst lange und unverbindliche Liefertermine vereinbaren, sondern auch auf die derzeitige Halbleiterkrise und die möglichen Folgen für die Lieferzeit hinweisen. Auch während der Lieferzeit sollte der Kunde über etwaige Veränderungen der Liefersituation informiert gehalten werden. Womöglich kann durch einen ständigen Austausch schon in diesem Stadium späterem Ärger vorgebeugt werden.

 

Ihre BVfK-Rechtsabteilung

 

> BVfK-Neuwagenvertrag

 

> Zurück zum BVfK-Wochenendticker