BVfK-Seminare zum neuen Gewährleistungsrecht – Auftakt in Bonn ein voller Erfolg

BVfK-Seminare zum neuen Gewährleistungsrecht – Auftakt in Bonn ein voller Erfolg

Die Verunsicherung des (Kfz-)Handels aufgrund des ab dem 01.01.2022 geltenden neuen Gewährleistungsrechts nimmt zu. Während die oftmals als „Schuldrechtsreform 2.0“ bezeichnete Gesetzesnovelle selbst an vielen Juristen unbemerkt oder jedenfalls spurlos vorbeizieht, besteht die Aufgabe des BVfK darin, seine Mitglieder bestmöglich auf die bevorstehende Situation vorzubereiten. Dabei können bereits jetzt an vielen Stellen Ängste genommen und offene Fragen geklärt werden, wie nachfolgendes Resümee zur erfolgreich gestarteten BVfK-Seminarreihe zeigt.

Rechtsanwalt und Referent Joachim Otting zeigt Schwachstellen in der Gesetzgebung auf 

Nachdem sich die zahlreich erschienenen Vertreter der zum Seminar angemeldeten BVfK-Mitgliedsbetriebe in den Tagungsräumlichkeiten des Hotel Königshof in Bonn eingefunden hatten, ging Rechtsanwalt Joachim Otting nach einer kurzen Begrüßung durch BVfK-Vorstand Ansgar Klein direkt ans Eingemachte. „Schalten Sie für die nächsten zwei Stunden Ihre Bedenken ab und gehen Sie unvoreingenommen an die Sache heran“, forderte er die Teilnehmer auf. „Dann ist das, was ich Ihnen gleich erkläre, nicht schwer zu verstehen.“

Otting gelang es erwartungsgemäß hervorragend, die Zuhörer durch realitätsnahe Praxisbeispiele und spezifisches Automobil-Fachwissen abzuholen. Eine wahrlich nicht leichte Aufgabe, denn der an die Leinwand projizierte Gesetzestext ist umfangreich, verschachtelt und voller Querverweise innerhalb des „Normen-Bollwerks“, zwischen denen man sowohl bei der zukünftigen Anwendung als auch zum Verständnis des Gesamtzusammenhangs hin und her springen muss. Als Auslegungshilfe dessen, was das Gesetz in oftmals nur knappen und interpretationsfähigen Worten wiedergibt, diente die von Otting herangezogene knapp 40 Seiten lange Gesetzesbegründung, die teilweise allerdings haarsträubende Aussagen enthält.

Beispiel gefällig? Wie im Wochenendticker vom 25.09.2021 (hier nachzulesen) erläutert, haben wir es im kommenden Jahr mit einem neuen Sachmangelbegriff zu tun, bei dem die Sache gleichzeitig den subjektiven (= den individuell zwischen den Parteien vereinbarten) und den objektiven (= den üblicherweise und nach Art der Sache erwartbaren) Anforderungen entsprechen muss. Will man nun vereinbaren, dass die Sache nicht den üblichen Erwartungen des Käufers entspricht (z.B. i.d.R. ein Unfallschaden bei einem nur wenige Jahre alten Fahrzeug), kann man dies nur tun, indem man den Verbraucher vor Unterzeichnung des eigentlichen Vertrages über die Abweichung „gesondert“ in Kenntnis setzt und die Abweichung im Vertrag nochmals ausdrücklich und ebenfalls gesondert vereinbart wird (dazu weiter unten).

Otting zitierte zur Verdeutlichung der Realitätsfremdheit der Erwägungen des Gesetzgebers aus der Gesetzesbegründung. Ein Mitarbeiter des Justizministeriums hatte dort nämlich vorgerechnet, dass statistisch gesehen jährlich ca. 5,9 Millionen solcher „Beschaffenheitsvereinbarungen“ getroffen würden, die jeweils einen Zeitaufwand von 2 Minuten erfordern. Der jährliche Zeitaufwand der Bürger aufgrund des neuen Gesetzes betrage somit 196.667 Stunden. „Nicht etwa 196.666 oder 196.668 Stunden, nein, genau 196.667 Stunden“, warf Otting kopfschüttelnd hinterher. Dass auch auf Seiten des Handels (erheblicher) Mehraufwand entsteht wurde hingegen ebenso außer Acht gelassen wie der Umstand, dass mit deutlichen Preissteigerungen zu rechnen sein dürfte.

Prävention statt Deeskalation: BVfK-Juristen präsentierten neue Vertragsformulare

Im Anschluss an den ca. 2 ½-stündigen Vortrag stellte die BVfK-Rechtsabteilung die neuen BVfK-Vertragsformulare vor. Der ein oder andere musste erstmal schlucken, als bekannt gegeben wurde, dass diese inklusive des vorvertraglichen Informationsblattes insgesamt 9 Seiten umfassen und der Käufer bis zu 12 Unterschriften leisten muss, je nachdem, was alles zur Beschaffenheit des Fahrzeugs vereinbart wird. Das fängt bei der Verkürzung der Verjährungsfrist an, reicht über den Ausschluss der Haftung für Updates digitaler Elemente bis hin zur Vereinbarung negativer Abweichungen vom üblichen und vom Käufer erwartbaren Zustand der Karosserie und der Fahrzeugtechnik.

Über all diese Umstände muss der Käufer vor Vertragsschluss aufgeklärt werden. Das Ganze sollte zu Beweiszwecken tunlichst im vorvertraglichen Informationsblatt dokumentiert und durch Unterschrift des Käufers quittiert werden. Anschließend müssen die Abweichungen im Kaufvertrag in gestalterisch hervorgehobenen Bereichen erneut aufgeführt und vom Käufer unterzeichnet werden. Nur so wird sich zukünftig rechtssicher vereinbaren lassen, dass die Verjährungsfrist 1 Jahr beträgt, der Verkäufer nicht für Updates einzustehen hat oder dass es beispielsweise mal einen reparierten Unfallvorschaden gab.

Anschlussdiskussion: Schaffen wir das? Was sind die Alternativen? Vermittlung oder Versteigerung?

Dass Gebrauchtwagen trotz des derzeit ohnehin schon hohen Preisniveaus noch teurer und damit möglicherweise das Angebot auch noch knapper werden dürften, entsprach dem Konsens der Veranstaltungsteilnehmer. Damit sich auch der Verkauf älterer Gebrauchtwagen noch lohnt, wurden verschiedene Konzepte wie das Agenturmodell oder öffentliche Versteigerungen in puncto Sachmängelhaftung eher risikoreicher Fahrzeuge angedacht und diskutiert. Ersteres wurde übereinstimmend für wenig attraktiv befunden, Versteigerungskonzepte sollen aber noch geprüft werden.

Der Großteil der Händler zeigte sich besorgt, wenngleich viele der zahlreichen Einzelfragen beantwortet werden konnten. Hinzu kommt, dass der Händler auch im Gewährleistungsfall zukünftig schlechter gestellt ist. Das Recht auf Nachbesserung wurde insofern eingeschränkt, als dass dem Verkäufer zukünftig voraussichtlich nur noch ein Nachbesserungsversuch zustehen dürfte. Laut Gesetzesbegründung jedenfalls dann, wenn „die Art und der Wert der Kaufsache sowie die Art und die Bedeutung des Mangels“  weitere Nachbesserungsversuche ausschließen.

Fazit und Ausblick

Der BVfK wird alles daran setzen, seine Mitglieder bestmöglich für mögliche Gefahren zu rüsten. Angefangen beim Vertragswerk bis hin zum Umgang mit Mängelrügen und die rechtliche Vertretung im Streitfall. Besondere Aufmerksamkeit sollte in diesem Zusammenhang auch dem BVfK-Garantiesystem gewidmet werden, das ein komplettes Schadensmanagement inklusive Rechtsschutz im Ernstfall enthält. Nähere Informationen hierzu können unter garantie@bvfk.de angefordert werden.

Wenn Sie an einem der kommenden Seminare zum neuen Gewährleistungsrecht teilnehmen wollen, melden Sie sich gerne bei der seminare@bvfk.de. Termine für Veranstaltungen vor Ort werden in Kürze bekanntgegeben, Online-Seminare sind ebenfalls in Planung.

Wenn all das berücksichtigt und die Vorteile der BVfK-Mitgliedschaft sowohl vorbeugend als auch im Ernstfall in Anspruch genommen werden, sollten die ernsthaften rechtlichen Gefahren der Novelle zum Großteil umschifft werden können. Die bleibenden Herausforderungen, zu denen auch die Erhöhung der Beweislastumkehr auf 12 bzw. 24 Monate zählt, müssen sich an der Art des Mangels messen lassen und sind einer richterlichen Würdigung zugänglich. In den kommenden Jahren werden also viele der Lücken, die das Gesetz offenlässt, durch die Rechtsprechung geschlossen werden müssen. Regelmäßige Updates zur Rechtslage werden an dieser Stelle veröffentlicht.

So muss man am Ende nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, sondern kann sich selbstbewusst den neuen Herausforderungen stellen und sich hauptsächlich immer noch dem widmen, was BVfK-Mitglieder am besten können: Seriös und zuverlässig Autos verkaufen!

Ihre BVfK-Rechtsabteilung

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