BVfK kritisiert Gesetzgebungsverfahren zur Verschärfung des Gewährleistungsrechts.

BVfK kritisiert Gesetzgebungsverfahren zur Verschärfung des Gewährleistungsrechts.

Bundestag soll weit nach Mitternacht abstimmen.

Bonn, den 23.6.2021

  • Keine Notwendigkeit für Verschärfung der Gesetzesänderung
  • Richtlinienvorgabe aus Brüssel wird nicht hinterfragt
  • Unzureichende Behandlung des Gesetzes in Bundestag und Bundesrat
  • Politiker verkennen Folgen ihrer Entscheidung
  • Zwecke des Gesetzes werden nicht erreicht
  • Enorme Risiken für den krisengeschwächten Handel
  • Verbraucherpreise werden deutlich steigen
  • Unerklärlicher Verzicht auf Rügefrist fördert fragwürdige Reklamationen

Der BVfK appelliert seit Monaten mit einer groß angelegten Kampagne an die politischen Entscheidungsträger, die Novelle des Gewährleistungsrechts nicht wie geplant zu verabschieden. Der Gesetzesentwurf setzt eine EU-Richtlinie um, die u. a. die Ausweitung der Beweislastumkehr von 6 auf 12 Monate und eine Haftung des Verkäufers für digitale Inhalte und höhere Voraussetzungen an die Vertragsgestaltung vorsieht. Der BVfK bewertet die geplante Änderung äußerst kritisch und befürchtet großen Schaden für Verbraucher und Handel ohne erkennbaren Nutzen. Die abschließende Abstimmung im Bundestag wird voraussichtlich in den frühen Morgenstunden des 25. Juni 2021 erfolgen. (Top 29 der TO „Verbraucherverträge über digitale Produkte“ um 3:10 Uhr).

Gesetzgebungsverfahren im Galopp

Man mag einwenden, dass derart einschneidende Regelungen auf EU-Ebene entwickelt und deren Umsetzung den Mitgliedsstaaten mit minimalen Gestaltungsspielraum von dort diktiert werden. Unvereinbar mit demokratischen Grundsätzen ist es jedoch, wenn die Bereitschaft der vom Volk gewählten Entscheidungsträger in Bundestag und Bundesrat, sich mit den Details und Konsequenzen auseinander zu setzen, parteiübergreifend gering ist. Es ist zu bezweifeln, dass eine dringend erforderliche Diskussion des Gesetzesentwurfs erfolgen kann, wenn er im Bundesrat als einer von 89 Tagesordnungspunkten, die nahezu ausschließlich komplexe Gesetzesvorhaben betreffen, behandelt wird. Zudem muss kritisch hinterfragt werden, ob Zeitpunkt und Zeitfenster nicht so gewählt wurden, dass eine einer wichtigen Entscheidung vorausgehende Debatte nahezu unmöglich ist. Die meisten Abstimmenden dürften sich zudem der Tragweite der geplanten Regelungen nicht bewusst sein.

Zu diesem Rückschluss führen auch die Reaktionen der eigentlich für den Themenkomplex zuständigen Politikerinnen und Politiker auf die kritischen und aufklärenden Schreiben des BVfK. Bei der Beantwortung der Frage, warum das über Jahrzehnte etablierte Gewährleistungsrecht überhaupt geändert werden soll, reduzierte man sich auf Schlagworte wie „Vollharmonisierung“, „hohes Verbraucherschutzniveau“ oder „Stärkung der Nachhaltigkeit im Handel“.

Zwecke des Gesetzes werden nicht erreicht

Diese Begründungen überzeugen nicht. Hinter den Begriffen „Vollharmonisierung“ bzw. „hohes Verbraucherschutzniveau“ verbirgt sich das Ansinnen, das Gewährleistungsrecht in der EU zu vereinheitlichen, damit Verbraucher überall gleichermaßen (hohen) Schutz genießen. Dadurch soll der grenzüberschreitende Handel gefördert und somit den Händlern weitere Absatzmöglichkeiten und den Verbrauchern eine größere Produktvielfalt mit attraktiveren Preisen eröffnet werden. Hier stellt sich bereits die Frage, warum das bisherige Verbraucherschutzniveau in Deutschland nicht auch exemplarisch auf den Binnenmarkt übertragen werden kann, sondern eine zusätzliche Stärkung der Verbraucherrechte ohne erkennbare Notwendigkeit durchgesetzt werden soll. Der BVfK stellt zudem fest, dass die geplante Verschärfung der Gewährleistungsregeln nicht zu attraktiveren, sondern zu höheren Preisen für den Verbraucher führen wird. Die drastische Ausweitung der Haftungsrisiken werden Händler in ihrer Preiskalkulation berücksichtigen müssen, so dass Gebrauchtfahrzeuge teurer werden dürften. Zudem ist davon auszugehen, dass sich der Gebrauchtwagenverkauf mangels Rentabilität noch stärker in den Privatmarkt ohne Gewährleistungsrechte und mit negativen Folgen auf den Wettbewerb verlagert.

Auch eine „Stärkung der Nachhaltigkeit im Handel“ dürfte durch die Novelle nicht erreicht werden. Dies sieht mancher Entscheidungsträger inzwischen genauso. So schreibt ein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion hinsichtlich der drohenden hohen Formanforderungen beim Verkauf gebrauchter Sachen:

„Die vorgesehenen strengen Formanforderungen sind auch unter Nachhaltigkeitsaspekten wenig hilfreich; schließlich wird damit die Weiternutzung gebrauchter Sachen tendenziell behindert.“

Zwang zur intransparenten Vertragsgestaltung

Der vorliegende Gesetzesentwurf lässt zudem befürchten, dass eine Trennung zwischen eigentlichem Kaufvertrag und besonderen Vereinbarungen auf einem zusätzlichen Dokument erfolgen sollen. Der BVfK kann den Sinn dieser formalen Vorgaben nicht nachvollziehen. Die in der Kfz-Branche gängigen und über einen langen Zeitraum bewährten Vertragsformulare und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind transparent, leicht verständlich und sehen sowohl für die Gewährleistungsreduzierung als auch für Besonderheiten des Kaufsache bereits eigene Rubriken vor. Es wird darüber hinweggesehen, dass alles, was komplizierter wird, aus Verbrauchersicht auch eher zu kontraproduktiver Intransparenz führt.

BVfK-Forderung: Rügeobliegenheit für den Verbraucher einführen! Transparente Vertragsgestaltung!

Mantra-artig wird seitens der Politik durchgängig darauf hingewiesen, dass der deutsche Gesetzgeber an die zugrundeliegende EU-Warenkaufrichtlinie gebunden sei und nur begrenzt Umsetzungsspielräume bestünden. Diese vor Eigenverantwortung schützende Feststellung vermag allerdings nicht zu erklären, warum in den Punkten mit Gestaltungsspielraum Forderungen des BVfK nicht gefolgt wird, welche die EU-Warenkaufrichtlinie teilweise sogar ausdrücklich vorsieht:

Die Einführung einer Rügeobliegenheit für den Verbraucher.

Dadurch könnte der Verbraucher dazu angehalten werden, einen aufgetretenen Defekt innerhalb von zwei Monaten beim Händler anzuzeigen. Diese Regelung würde den Verbraucher keinesfalls unzumutbar belasten, den Händler aber zumindest davor schützen, durch die Weiternutzung eines Fahrzeugs trotz Kenntnis vom Defekt entstandene bzw. sogar ausgeweitete Schäden hinnehmen zu müssen. Dadurch würde zudem vermieden, dass sich für den Händler die Chancen verschlechtern, Beweise dafür zu finden, dass er nicht eintrittspflichtig ist, während sich im gleichen Maße für betrügerisch agierende Verbraucher die entsprechenden Optionen verbessern.

Nachvollziehbare Argumente, warum die Rügeobliegenheit bisher nicht im deutschen Gesetzentwurf verankert worden ist, bleibt die Politik gegenüber dem BVfK schuldig. Wenn ein Abgeordneter meint, die Einführung einer solchen Rügeobliegenheit

„würde dem Anliegen der Richtlinie, den Verbraucherschutz europaweit zu stärken, klar entgegenlaufen“,

wird er sich die Frage gefallen lassen müssen, warum der europäische Verordnungsgeber diesen Aspekt trotz der beherrschenden Zielsetzung des hohen Verbraucherschutzniveaus offenbar völlig anders gesehen und bewertet hat. Unverständlich und inkonsequent ist die bisherige Haltung in diesem Punkt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass in den hier vorliegenden Politikerreaktionen durchgehend darauf verwiesen wird, dass man sich für eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht einsetze. Wenn also die Richtlinie nahezu unverändert übernommen werden soll, dann dürfte der Umsetzung der Rügeobliegenheit nichts im Weg stehen.

Ferner besteht das dringende Bedürfnis, Vertragsformulare nicht unnötig zu verkomplizieren. In den Erwägungsgründen des Gesetzes heißt es zur Begründung der Notwendigkeit einer gesonderten Vereinbarung von objektiven Beschaffenheits- oder Verjährungsvereinbarungen:

Das Merkmal „gesondert“, erfordert, dass die Abweichung hervorgehoben wird, damit der Verbraucher sie bewusst in seine Kaufentscheidung einbezieht. Um eine Abweichung von der objektiven Beschaffenheit zu vereinbaren, reicht es daher nicht aus, diese neben zahlreichen anderen Vereinbarungen in einen Formularvertrag oder separate Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzustellen. Die Vertragsunterlagen müssen vielmehr so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Abgabe seiner Vertragserklärung bewusst wird, dass er eine Kaufsache erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann.

Diese Definition eröffnet erheblichen Interpretationsspielraum, der nicht nur den Handel unnötig belastet, sondern auch die bislang einschlägige Rechtsprechung obsolet erscheinen lässt. Es dürfte viele Jahre dauern, bis eine rechtssichere Vertragsgestaltung durch Rechtsfortbildung möglich sein wird.

Der BVfK fordert die Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats auf, von ihren Einflussmöglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs doch noch zu verhindern. Insbesondere sollte die von der Richtlinie vorgesehene zweimonatige Rügefrist mit der entsprechenden Verpflichtung des Verbrauchers eingeführt und außerdem der Aufwand an vertraglicher Gestaltung reduziert werden, um der Richtlinienvorlage und dem damit verbundenen – diesseitig als verfehlt empfundenen – Ziel wenigstens in Teilen auch zugunsten des Handels gerecht zu werden.

Weitere Informationen und Hintergründe entnehmen Sie bitte der BVfK-Pressemeldung vom 25. März 2021 >>> „Eilbrief an den Bundesrat“

>>> Hier geht es zur Print-Version der BVfK-Pressemeldung.

Der Bundesverband freier Kfz-Händler e.V. (BVfK) vertritt die Interessen des seriösen freien Kfz-Handels in Deutschland. Dem Verband gehören Unternehmen aus dem Neu- und Gebrauchtwagenhandel, als auch dem Kfz-Vermittlergeschäft an. Die Mitgliederzahl steigt seit seiner Gründung im Jahr 2000 stetig. Derzeit sind ca. 800 Händler organisiert. Der Verband sieht seine Aufgaben in der Imageverbesserung seiner einem strengen Regelwerk verpflichteten Mitglieder sowie der Stabilisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wozu ganz wesentlich die Bekämpfung unseriöser Geschäftspraktiken zählt. So trägt der BVfK erfolgreich zur Förderung des lauteren Geschäftsverkehres, wie auch des fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs bei. Seit über 20 Jahren leistet der Verband Pionierarbeit. Hierzu zählen bedeutende Projekte, wie etwa der von Autorechtspapst Dr. Kurt Reinking und BVfK-Vorstand Ansgar Klein initiierte Deutsche Autorechtstag (www.deutscher-autorechtstag.de), der gemeinsam von BVfK, ADAC und ZDK veranstaltet wird, wie auch die Einrichtung von Schiedsstellen zur gütlichen Einigung von Streitfällen. Die Schlichtungsquote von über 90% beweist das erfolgreiche Konzept, wie auch das Vertrauen der Kundschaft in die Arbeit des Bundesverbandes und seiner Mitglieder.

Kontakt: BVfK-Pressestelle | Telefon: +49 228 85 40 90 | pressestelle@bvfk.de | V.i.S.d.P.: Ansgar Klein