BVfK-Leitfaden: Der richtige Umgang mit Defektanzeigen

BVfK-Leitfaden: Der richtige Umgang mit Defektanzeigen

Das Zeitalter des Internets erlaubt die schnelle Informationsbeschaffung in allen Bereichen des täglichen und weniger alltäglichen Lebens. Ärzte beispielsweise klagen häufig über von Patienten selbst erstellte Fehldiagnosen, weil diese meinen, Dr. Google könne ihre Beschwerden zutreffend einem bestimmten Krankheitsbild zuordnen. Da bedarf es hinterher einiger Überzeugungsarbeit, die Fehlvorstellung wieder aus der Welt zu schaffen.

Nicht anders sieht es im Bereich des Kfz-Handels aus. Das Internet liefert Antworten, die nicht immer stimmen, was auch oft mit der Fragestellung zu tun hat. Das führt dazu, dass viele Fahrzeugkäufer der irrigen Annahme unterliegen, der Verkäufer müsse für sämtliche während der Besitzdauer auftretenden Defekte haften. Handelt es sich beim Verkäufer um ein BVfK-Mitglied, ist dieser in der Regel mit dem nötigen Grundwissen ausgestattet, um zu erkennen, wann eine Einstandspflicht jedenfalls unsicher erscheint. Wer allerdings dann vorschnell die Reklamation zurückweist („das ist Verschleiß!“), vergibt seine Chance auf Prüfung und öffnet dem Kunden die Tür zur so genannten „Selbstvornahme“ und möglicherweise unliebsamen Folgen, wenn dann am Ende Gutachter und Gericht auf Grundlage falscher Fakten entscheiden. Daher ist aufgrund der vielzähligen Einzelfragen und der nur schwer überschaubaren Rechtsprechungsvielfalt die Hinzuziehung eines juristischen Beistands oft empfohlen, um die Risiken abschätzen und unnötige Fehler vermeiden zu können.

Was sind die häufigsten Streitpunkte bei Auftritt eines Defekts?

1. Die korrekte Aufforderung zur Nachbesserung

Alles beginnt mit der ordnungsgemäßen Defektanzeige. Fordert der Käufer beispielsweise auf, umgehend die Einstandspflicht für die beschriebenen Sachmängel zu erklären, so genügt dies den Anforderungen an ein rechtskonformes Nachbesserungsverlangen nach teilweise vertretener Auffassung nicht.

Zu beachten ist das vorrangige Recht des Verkäufers auf Nachbesserung, bevor dem Käufer etwaige Sekundärrechte wie Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz eingeräumt werden. Erst wenn der Käufer eine angemessene Frist gesetzt hat und diese erfolglos abgelaufen ist oder der Verkäufer eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde keine Nachbesserung vornehmen, können dem Käufer weitere Rechte ebenso zustehen, wie bei einem begründeten Vertrauensverlust.

Die Frage, welcher Zeitraum als „angemessen“ zu bewerten ist, hängt vom Einzelfall ab. Wie schnell ist eine Prüfung der Reklamation möglich? Wie lange dauert die Ersatzteilbeschaffung? Welchen Vorlauf haben die Werkstätten? Als angemessen gilt meist ein Zeitraum von etwa zwei Wochen gelten, der je nach Art des Mangels und der konkreten Umstände herauf- oder herabzusetzen wäre. So wurden in VW-Abgasfällen mitunter Zeiträume von neun Monaten als angemessen erachtet, um die Auswirkungen von Software-Updates entsprechend beobachten zu können. Gleiches gilt z.B. bei der erschwerten Beschaffung von notwendigen Ersatzteilen.

Ein ordnungsgemäßes Nachbesserungsverlangen setzt außerdem die Bereitschaft des Käufers voraus, dem Verkäufer das Fahrzeug zwecks Überprüfung der behaupteten Defekte zur Verfügung zu stellen. In Bezug auf das Eingangs genannte Beispiel bedeutet das: Zwar wäre eine „umgehende“ Aufforderung wohl zulässig, denn einer angemessenen Fristsetzung steht es laut BGH grundsätzlich gleich, wenn der Käufer zu erkennen gibt, dass dem Verkäufer nur ein begrenzter Zeitraum zur Mängelprüfung zur Verfügung steht („umgehend“, „kurzfristig“, etc.). Allerdings darf dem Verkäufer nicht abverlangt werden, ohne vorausgehende Möglichkeit der Prüfung des Fahrzeugs eine Einstandspflicht anzuerkennen.

2. Verjährung / Beweislastumkehr

Ferner ist zu prüfen, wer die Beweislast für das Vorliegen eines Defekts bei Übergabe des Fahrzeugs trägt, denn im Grunde genommen allein auf diesen Zeitpunkt kommt es an. Nach Ablauf von 6 Monaten seit Übergabe trägt der Käufer die vollständige Darlegungs- und Beweislast, der je nach Laufleistung und Art des Defekts nur schwer nachzukommen sein dürfte. Die Beweislast kann außerdem schon früher auf den Käufer verlagert werden, wenn es sich um Defekte handelt, die mit dem der Beweislastumkehr zugrunde liegenden Gedanken der Rückwirkungsvermutung (der Defekt lag zumindest ansatzweise bei Übergabe vor) zu Gunsten des Käufers nicht zu vereinbaren sind (Verschleiß, offensichtliche Beschädigungen, die nachweislich bei Übergabe nicht vorgelegen haben, die meisten elektrischen und elektronischen Bauteile, etc.). Aber auch hier gilt: Nicht vorschnell ablehnen, sondern Spezialisten befragen, die sich mit solchen Problemen auskennen. Ein verhältnismäßig früh wegen Feuchtigkeit ausgefallenes Steuergerät, welches sich im Bereich eines eigentlich vom Hersteller zu verantwortenden notorisch undichten Schiebedachablaufs befindet, könnte für den Verkäufer zum Problem werden, denn er haftet verschuldensunabhängig.

Schließlich können Ansprüche der Verjährung unterliegen. Hier ist insbesondere zu prüfen, ob der Gewährleistungsausschluss bei gebrauchten Fahrzeugen wirksam auf ein Jahr reduziert wurde. Über die Frage, ob es nicht generell zwei Jahre sein müssten, ist nach einer nur schwer nachvollziehbaren Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2017 allerdings Streit unter Juristen entbrannt. Erfreulicherweise halten die meisten deutschen Gerichte an der bisherigen Auffassung fest und erkennen keine „horizontale Drittwirkung“ der EuGH-Entscheidung auf den Gebrauchtwagenhandel in Deutschland. Gleichwohl herrscht hierüber erst Rechtssicherheit, wenn Gesetzgeber oder BGH reagieren und für Klarstellung sorgen. Beides steht bislang noch aus. Der BVfK hat seine Vertragsformulare sicherheitshalber den Vorgaben des EuGH angepasst.

3. Ab wann ist von natürlichem Verschleiß auszugehen?

Der wohl häufigste Einwand des Verkäufers lautet: „Das ist ein Verschleißteil, dafür muss ich nicht einstehen!“. Natürlich trifft es zu, dass bei Erreichen der bauteilspezifischen Verschleißgrenze eine Sachmängelhaftung ausscheiden dürfte. Allerdings ist diese stets individuell zu bestimmen und obliegt im Streitfall der (oft unberechenbaren) Einschätzung eines Sachverständigen. In der Rechtsprechung haben sich viele Beispielsfälle herausgebildet, an denen man sich orientieren kann. Allerdings könnte sich die Verschleißgrenze bei einigen Bauteilen aufgrund fortschreitender Technologie ausdehnen, sodass ehemals festgestellte Richtwerte unter Umständen nicht mehr angewendet werden können. Andererseits experimentieren Hersteller oft auf Kosten des Gebrauchtwagenhandels, was z.B. dazu führt, dass neu konstruierte Automatikgetriebe wesentlich früher ihre Funktion einstellen als die der vergleichbaren Konkurrenz, was zu einer Händlerhaftung führen könnte. Von der schlichten Zurückweisung von Ansprüchen aufgrund im Raum stehender Verschleißerscheinungen ist daher dringend abzuraten! Das kann unter Umständen als Verweigerung der Nacherfüllung ausgelegt werden, sodass dem Käufer sogar ein sofortiges Rücktrittsrecht eingeräumt würde, vorausgesetzt der Defekt ist erheblich genug, um ein solches zu rechtfertigen.

4. Vertragliche Vereinbarungen

Äußerst wichtig ist die Auswertung sämtlicher Unterlagen, insbesondere des Kaufvertrags. Sind dort etwa Vereinbarungen getroffen worden, die bestimmte Defekte von der Sachmängelhaftung ausnehmen, da auf ihr Vorhandensein oder möglicherweise baldiges Auftreten konkret hingewiesen wurde? Sind Unfallschäden nach Art und Umfang korrekt beschrieben worden? Wurde der BVfK-Fahrzeugcheck ausgefüllt? Und halten alle Geschäftsbedingungen einer rechtlichen Prüfung stand? Viele Fragen und leider noch wesentlich mehr mögliche Antworten, denn Vereinbarungen zwischen den Parteien sind stets auslegungsbedürftig. Auch hier gilt also: Nicht vorschnell und ohne juristischen Rat von der günstigsten Auslegungsvariante ausgehen!

Wie gehe ich mit der Defektanzeige um?

Sind alle Präzisierungsmaßnahmen getroffen, wie die möglichst genaue Beschreibung vorhandener Defekte im Kaufvertrag (>>> BVfK-Formulare hier im Mitgliederbereich abrufbar) und das Ausfüllen des BVfK-Fahrzeugchecks (>>> Checkliste hier abrufbar), haben Sie schon einmal gute Vorarbeit geleistet. Darüber hinaus empfehlen wir die Aushändigung des „BVfK-Informationspapiers zu Gewährleistungsfragen“ (>>> allgemein auf der BVfK-Website zu finden, >>> im Mitgliederbereich mit Feld für die Bestätigung der Kenntnis des Käufers abrufbar).

Aber auch die geordnete „Nachsorge“ kann von entscheidender Bedeutung sein. Hierfür hat der BVfK ebenfalls ein entsprechendes Formular entwickelt, welches Sie unter den Vertragsformularen im Mitgliederbereich abrufen können (>>> Link zum Formular „Defektanzeige“). Es empfiehlt sich, dem Kunden dieses Defektanzeigeformular bei jeder Meldung eines Defekts auszuhändigen. So wird dort zum Beispiel ggf. ein expliziter „Prüf-“ und nicht zwingend ein Nachbesserungsauftrag erteilt. Der Käufer hat die Möglichkeit, Angaben zu Defekten und Verschleißerscheinungen zu machen und den Fahrzeugstandort anzugeben. Auch der Zustand kann dokumentiert werden, damit es hinterher nicht zu Missverständnissen kommt. Eine saubere Dokumentation kann viel Arbeit ersparen und Rechtssicherheit schaffen.

Insgesamt gilt: Je besser die Vorsorge und professioneller der Umgang mit Reklamationen, umso geringer die Probleme. Wer übrigens das komplette Reklamationsmanagement inkl. rechtlicher Begleitung outsourcen möchte, findet wohl kaum eine bessere Lösung als die des BVfK-Garantiekonzepts (>>> unter der Rubrik „Handel“ bei den Mitgliederservices), einer Autohändler-Vollkasko, die ihresgleichen sucht.

Auf jeden und in jedem Fall steht Ihnen die BVfK-Rechtsabteilung immer gerne zur Seite!

Ihre BVfK-Rechtsabteilung
rechtsabteilung@bvfk.de

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