BVfK-Eilbrief an den Bundesrat zu Änderungen des Gewährleistungsrechts

BVfK-Eilbrief an den Bundesrat zu Änderungen des Gewährleistungsrechts

Bonn, 25. März 2021

Mit der Ausweitung der Beweislastumkehr und anderen Änderungen des Gewährleistungsrechts verfehlt der Gesetzesentwurf die verfolgten Ziele. Negative Folgen treffen insbesondere den Kfz-Handel und auch deren Kunden. Entwurf führt zum Schaden Aller ohne erkennbaren Nutzen.

  • Beweislastumkehr soll von 6 auf 12 Monate erhöht werden
  • Problem: Gleichsetzung von technischem Defekt und kaufrechtlichem Mangel
  • Verkäuferhaftung wird zunehmend für die gesamte Lebenserwartung ausgedehnt
  • Haftung für Digitale Inhalte für freie Kfz-Händler nicht praktikabel
  • Verzicht auf Rügefrist fördert fragwürdige Reklamationen
  • Enorme Risiken für den krisengeschwächten Handel
  • Kompliziertere Vertragsgestaltung führt zu Intransparenz und mehr Bürokratie
  • Verbraucherpreise werden deutlich steigen
  • Abzocke durch Käufer wird gefördert

Der BVfK hat mit sich mit einem dringenden Appell an den Bundesrat gewandt, um auf die für den Kfz-Handel untragbaren und unverhältnismäßig nachteiligen geplanten Änderungen des Gewährleistungsrechts im Zuge der Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie (RL (EU) 2019/771) aufmerksam zu machen. Hierzu hatte die Bundesregierung unter dem 10. Februar 2021 einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, der auf erhebliche Bedenken stößt. Der BVfK möchte verhindern, dass der Bundesrat in seiner 1002. Sitzung am 26.03.2021 der vorliegenden Ausschussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags bedenkenlos folgt, sondern die vom BVfK vorgebrachten Einwände in seiner Stellungnahme an den Bundestag berücksichtigt. Mit dem Gesetz sollen u. a.  die Beweislastumkehr von 6 auf 12 Monate erhöht werden, der Händler soll für digitale Inhalte haften, besondere Eigenschaften sollen auf zusätzlichen Vertragsdokumenten vereinbart werden. Der BVfK bewertet die geplante Änderung äußerst kritisch und befürchtet großen Schaden für alle ohne erkennbaren Nutzen.

1. Verbraucherpreise werden deutlich steigen. BVfK erwartet 10-20%

Mit den verschärften Anforderungen an den Gebrauchtwagenhandel kann nur umgegangen werden, wenn die zusätzlichen erheblichen Kosten in die kaufmännische Kalkulation einbezogen werden. Mit deutlicher Ausweitung der Unternehmerpflichten sind auch mit 10-20% deutlich steigende Kaufpreise in Folge der kalkulatorischen Berücksichtigung des Risikos zu erwarten. Auch sind in Folge des voraussichtlich fast vollständigen Verschwindens älterer Gebrauchtwagen im Angebot des gewerblichen Handels negative Auswirkungen auf das Unfall- und Schadensrecht, bzw. die Geschädigten und ihre Versicherungen zu erwarten, denn der u. a. relevante Wiederbeschaffungswert bemisst sich anhand vergleichbarer am Markt verfügbarer Fahrzeuge. Sind jedoch wie befürchtet, gerade bei älteren Gebrauchtwagen keine vergleichbaren Fahrzeuge mehr im gewerblichen Handel verfügbar, kann auch keine sachgerechte Preisbemessung mehr erfolgen.

2. Alte Gebrauchtwagen ganz ohne Gewährleistung

Ältere und preiswerte Gebrauchtfahrzeuge dürften vom Kfz-Handel zukünftig nicht mehr angeboten werden, da die mit zunehmenden Fahrzeugalter steigenden Gewährleistungskosten zu so starken Preissteigerungen führen werden, dass sich dieses Marktsegment schließlich völlig in den Privatmarkt verlagern dürfte, in dem der Verbraucher bekanntlich nicht durch Verbraucherrechte geschützt ist. Dies auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Verbraucher auf die ihm staatlich verordneten Gewährleistungsrechte nicht einmal verzichten darf.

3. Risiken für den Handel enorm

Gewährleistung würde für den Zeitraum der Beweislastumkehr einer Garantie gleichkommen, gesteigerter Bürokratieaufwand sorgt für weniger Rechtssicherheit, Abschaffung des Haftungsausschlusses bei Kenntnis und Verzicht auf Einführung einer Defektanzeigefrist belasten den Händler zusätzlich. Haftungsfragen bei digitalen Elementen und Updatepflicht sind zu unpräzise, ein sachgerechter Umgang lässt sich daraus nicht ableiten. Die Suche nach praktikablen Vertragslösungen wird zum Stochern im Nebel.

 4. Keine „weiteren Absatzmöglichkeiten für Händler“

Für den Handel dürften die Folgen der BGB-Novelle weitreichend und insbesondere finanziell stark belastend ausfallen. Das Ziel, dem Handel neue Möglichkeiten zu verschaffen, dürfte mit dem Gesetzesentwurf keinesfalls erreicht werden. Es ist eher davon auszugehen, dass viele Händler ihr Sortiment umstellen oder den Handel, zumindest mit Privatpersonen, ganz aufgeben müssen, da das neu entstandene Risiko nicht abgefedert werden kann. Dies betrifft in besonderem Maße den Gebrauchtwagenhandel. Viele Händler werden, insbesondere in Folge der bereits durch die Corona-Krise entstandenen existenzgefährdeten Belastungen, der Umstellung nicht gewachsen sein und ihre Geschäfte schließen müssen. Ein weiterer Verlust an Arbeitsplätzen wäre unvermeidbar.

5. Doppelt so viel ist nicht automatisch doppelt so gut

Dem Betrachter drängt sich der Eindruck auf, Verbraucherschutz könne durch diese banale Formel immer weiter verbessert werden. Doch auch hier gilt: Nach ganz fest kommt ganz locker! Oder: Was gut funktioniert, sollte man nicht unbedingt und ohne Not ändern.

Der seriöse Kfz-Handel hat in zwei Jahrzehnten Umgang und Erfahrung mit dem seit dem Jahr 2002 geltenden „Neuen Gewährleistungsrecht“ gute und praktikable Lösungen entwickelt, die den Vorstellungen der damaligen Mütter und Väter der Schuldrechtsreform nach optimalem Verbraucherschutz entsprachen. Man kann ihnen auch nicht nachsagen kann, sie hätten nicht gründlich gearbeitet. Ebenso wenig haben sich die grundlegenden Verhältnisse geändert.  Der BVfK hält daher die erneute Verschärfung des Gewährleistungsrechts gemeinsam mit einer Vielzahl fachkundiger und anerkannter Juristen in den meisten Punkten weder für sachdienlich noch für praktikabel. Eines scheint allerdings sicher: Gerichte werden über mehr Arbeit, Anwälte nicht über weniger Klagen klagen. Die Kosten werden am Ende alle tragen müssen.

6. Aus Gewährleistung wird Garantie – Verkäuferhaftung wird zunehmend für die gesamte Lebenserwartung eines Gebrauchtwagens ausgedehnt

In der Begründung der Ausschussempfehlung wird – trotz anderslautender Bekundung – deutlich, dass die gesetzliche Gewährleistung zunehmend zur Haltbarkeitsgarantie entwickelt werden soll. Bereits die Annahme, dass Kraftfahrzeuge zu den Produktgruppen zählen sollen, „bei denen die berechtigte Erwartung an eine Funktionsfähigkeit für mindestens fünf Jahre besteht“, stößt wegen ihrer undifferenzierten Betrachtung auf große Bedenken. Entlarvend ist dann jedoch die Empfehlung, die Verjährungsfrist an dieser Lebenserwartung zu orientieren. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass der Verkäufer zumindest annähernd für die gesamte Lebenserwartung der Kaufsache haftbar gemacht werden soll.

7. Abzocke durch Käufer wird gefördert

Der BVfK befürchtet, dass sich Gebrauchtwagenhändler zukünftig vermehrt der gezielten Abzocke durch fragwürdige Kunden unter missbräuchlicher Ausnutzung stark erweiterter Verbraucherrechte ausgesetzt sehen werden.

Resümee: Mit dem Gesetzesentwurf verfolgte Ziele werden verfehlt. Nachteile zum Schaden Aller ohne erkennbaren Nutzen

 Im Einzelnen:

I. Verdoppelung der Beweislastumkehr von 6 auf 12 Monate

  • Die Beweislastumkehr gemäß § 477 BGB, also der Zeitraum, innerhalb welchem zugunsten des Verbrauchers vermutet wird, die von ihm erworbene Kaufsache sei bereits im Zeitpunkt der Übergabe defekt gewesen, soll zukünftig von 6 auf 12 Monate erhöht werden, nach der Ausschussempfehlung des Bundesrats gar auf 24 Monate.
  • Da es häufig nicht zu eindeutigen technischen Bewertungen kommt, zahlt der Händler oft für jeden Defekt, auch wenn er verschleißbedingt dem Risikobereich des Gebrauchtwagenkäufers zuzuordnen ist.
  • Daraus wird deutlich, dass bereits in den ersten 6 Monaten nach Übergabe, also der Phase der seit dem Jahr 2002 gültigen Beweislastumkehr, in vielen Fällen eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Händlers erfolgt, denn es gilt oft nicht, „im Zweifel für den Angeklagten“, sondern „im Zweifel zahlt der Händler“.
  • Daraus ergibt sich ein schleichender Prozess, bei dem die Gewährleistung immer mehr zur Haltbarkeits-Garantie wird.
  • Mit der Verdoppelung der Dauer der Beweislastumkehr führt das faktisch zur Verdoppelung der Risiken und Kosten für den Gebrauchtwagenhandel. Dies, obwohl die Wirkung der Rückwirkungsvermutung bei objektiver Betrachtung eigentlich umso geringer ausfallen müsste, je länger der Zeitpunkt der Übergabe zurückliegt.
  • Das Problem ist die weit verbreitete Gleichsetzung von technischem Defekt und kaufrechtlichem Mangel.
  • Daher ist einer Verlängerung der Beweislastumkehr in jeglicher Hinsicht zu widersprechen:
  • Sie eröffnet weder „den Händlern weitere Absatzmöglichkeiten“ noch „den Verbrauchern eine größere Produktvielfalt mit attraktiveren Preisen eröffnet.“ Auf keinen Fall wird damit dem vorgegebenen „Prinzip eines hohen Verbraucherschutzniveaus“ gedient, denn am Ende werden die Preise für Gebrauchtwagen steigen und ältere Fahrzeuge aus dem Angebot gewerblicher Händler verschwinden. Im Privatmarkt werden sie dann ohne die gesetzlichen Gewährleistungsrechte angeboten.

II. Trennung zwischen eigentlichem Kaufvertrag und besonderen Vereinbarungen

  • Der vorliegende Gesetzesentwurf lässt zudem befürchten, dass eine Trennung zwischen eigentlichem Kaufvertrag und besonderen Vereinbarungen auf einem zusätzlichen Dokument erfolgen sollen. Der BVfK kann den Sinn dieser formalen Vorgaben nicht nachvollziehen. Die in der Kfz-Branche gängigen und über einen langen Zeitraum bewährten Vertragsformulare und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind transparent, leicht verständlich und sehen sowohl für die Gewährleistungsreduzierung als auch für Besonderheiten des Kaufsache bereits eigene Rubriken vor. Es ist zu befürchten, dass alles, was komplizierter wird, aus Verbrauchersicht auch eher zu kontraproduktiver Intransparenz führt.

III. Haftung für Digitale Inhalte

  • Weiterhin enthält der Gesetzesentwurf Regelungen zur Haftung für Digitale Inhalte. Allerdings bleibt unklar, was unter einem „Defekt an digitalen Elementen“ verstanden wird und welche der verschiedenen, sich teilweise auch aus anderen geplanten Gesetzen ergebenden neuen Vorschriften, bei der Feststellung von Defekten an digitalen Elementen Anwendung finden soll.
  • Es ist ferner nicht zu hinnehmbar, dass einem nicht Hersteller-verbundenen Händler, insbesondere einem Gebrauchtwagenhändler, eine Updatepflicht für digitale Inhalte auferlegt werden soll, die zudem noch über das gesetzliche Verjährungsmaß von mindestens 2 Jahren hinausgehen kann, denn er hat u. U. überhaupt keine Möglichkeit, dieser Verpflichtung ohne den guten Willen des Herstellers nachzukommen.

IV. Verzicht auf Rügefrist für Sachmängel-Reklamationen fördert fragwürdige Reklamationen

  • Überhaupt nicht nachvollziehbar ist der im Referentenentwurf vorgesehene Verzicht, eine Rügefrist für Sachmängel-Reklamationen einzuführen, obwohl dies von der EU-Richtlinie ermöglicht wird. Vorteile für den schützenswerten und gleichzeitig redlichen Verbraucher vermögen durch den Verzicht auf diese von der EU eröffnete Möglichkeit einer Rügefrist nicht erkannt werden. Der Kfz-Handel jedoch muss weiterhin Nachteile durch Täuschung und Manipulation bei der Inanspruchnahme fragwürdiger Käufer befürchten.

Der BVfK fordert, die geplante Stellungnahme zum Gesetzesentwurf in der jetzigen Fassung zu überdenken. Insbesondere sollte die von der Richtlinie vorgesehene zweimonatige Rügefrist mit der entsprechenden Verpflichtung des Verbrauchers eingeführt werden, um der Richtlinienvorlage und dem damit verbundenen – diesseitig als verfehlt empfundenen Ziel wenigstens in Teilen auch zugunsten des Handels gerecht zu werden.

Weitere Informationen des BVfK können per E-Mail angefordert werden: pressestelle@bvfk.de

>>> Hier geht es zur Print-Version der BVfK-Pressemeldung.