BGH-Urteil zur Unterschlagung eines Fahrzeugs während einer Probefahrt
Händler verliert und muss Original-Zulassungspapiere herausgeben
Was war passiert?
Ein vermeintlicher Kaufinteressent hatte es auf ein Fahrzeug der Mercedes-Benz V-Klasse abgesehen. Die dem Händler vorgelegten Dokumente (italienischer Personalausweis, Meldebestätigung einer deutschen Stadt, italienischer Führerschein) waren hochwertig gefälscht, so dass der Händler dem Wunsch nach einer Probefahrt gerne entsprach. Die Fahrt ohne Begleitung sollte eine Stunde nicht überschreiten. Hierzu überließ er dem Gauner einen Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das Fahrtenbuch- und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie des Fahrzeugscheins. Das Fahrzeug wurde nicht zurückgebracht. Vielmehr wurde es wenig später im Internet angeboten und letztlich an eine Erwerberin, welche die vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht als gefälscht erkannte, verkauft. Diese konnte das mittlerweile als gestohlen gemeldete Fahrzeug jedoch nicht zulassen. In der Folge verlangte der Händler die Herausgabe des Fahrzeugs, die Erwerberin forderte die Aushändigung der Original-Zulassungspapiere.
Was sagten die Gerichte?
Drei Gerichte – zwei Meinungen. Das Landgericht Marburg entschied zunächst zugunsten der Erwerberin. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hingegen sah in der Berufung den Händler im Recht. Der BGH urteilte nun wieder im Sinne der Erwerberin.
Alle Instanzen hatten zwei zentrale Fragen zu klären:
1. Blieb der Händler für die Dauer der Probefahrt unmittelbarer Besitzer des Fahrzeugs?
Dann hätte die Erwerberin von vornherein nicht Eigentümerin des Fahrzeugs werden können. Die Frankfurter Richter hatten in der zweiten Instanz Ihre Entscheidung zugunsten des Händlers darauf gestützt. Die sehr ausführliche, aber etwas konstruiert anmutende Begründung konnte den BGH nicht überzeugen. Dieser vertrat die wohl naheliegendere Auffassung, dass der Händler den unmittelbaren Besitz am Fahrzeug aufgibt, wenn er ein Fahrzeug einem Kaufinteressenten zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt für eine gewisse Dauer überlässt. Dadurch wurde ein gutgläubiger Erwerb möglich.
2. War die Erwerberin tatsächlich gutgläubig in der Annahme, dass ihr das Fahrzeug vom Eigentümer verkauft worden ist?
Alle drei Instanzen kamen letztlich zu diesem Ergebnis, obwohl vor allem das OLG Frankfurt eine nicht unerhebliche Anzahl von Auffälligkeiten beim Kauf und deswegen einen Fall an der Grenze zu grober Fahrlässigkeit erkannte. So traf sich die Erwerberin für den Kauf des im Internet zu einem günstigen Preis anonym angebotenen Fahrzeugs an einem Hauptbahnhof mit dem Verkäufer. Der verabredete Kaufpreis wurde bei dieser Gelegenheit bar entrichtet, im Kaufvertrag jedoch auf Drängen des Verkäufers ein reduzierter Preis eingetragen. Dies sei „besser für die Arbeit“ des Verkäufers, obwohl dieser zuvor noch angegeben hatte, das Fahrzeug nicht gewerblich, sondern für seinen Großvater zu verkaufen. An dieser Stelle hätte die Entscheidung also auch anders ausfallen können.
Auswirkungen?
Letztlich können eine genaue Analyse und ein Ausblick erst erfolgen, wenn die Urteilsbegründung des BGH vollständig vorliegt. Die Probleme für Autohändler und vor allem auch Autovermieter sind jedoch absehbar. Es steht zu befürchten, dass sich die Händler in Fällen der Unterschlagung regelmäßig nicht an den Erwerber halten können, sondern zur Realisierung Ihrer Ansprüche darauf angewiesen sind, dass die Täter festgestellt werden und solvent sind. In Zeiten der organisierten Kriminalität in diesem Bereich ist dies jedoch meist aussichtslos. Bis auf Weiteres sollten Händler sich vor der Probefahrt die maßgeblichen Dokumente des Interessenten vorlegen lassen, prüfen und kopieren und zudem in Erwägung ziehen, eine Kaution zu verlangen oder aber die Probefahrt sogar zu begleiten. Zur Dokumentation nutzen Sie die BVfK-Benutzungsvereinbarung für Probe- und Überführungsfahrten, die Sie im Mitgliederbereich der BVfK-Webseite finden.
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