Automatisiertes Fahren und Ethik

Großes Zukunftsthema: Automatisiertes Fahren und Ethik:

Darf eine Maschine Entscheidungen über Leben und Tod treffen?

Automatisiertes Fahren | 22. Forum - Deutscher Verkehrssicherheitsrat

Bild: Fachleute aus Universitäten, von Autoherstellern, der Verbände und der Politik diskutierten über Charakter und Ethik als Faktoren von Computer-Algorithmen.

Etwa 250 Teilnehmer hatten sich am 14. Juni 2016 zu einem DVR-Forum mit spannenden Themen in Berlin versammelt.
Schon heute werden wir durch Assistenzfunktionen beim Autofahren unterstützt. Diese helfen, Unfälle zu vermeiden oder deren Folgen zu vermindern. In nicht allzu ferner Zukunft werden hochautomatisierte Fahrfunktionen folgen: Das Fahrzeug übernimmt – zunächst zeitweise – die Fahraufgabe, es gibt Gas, lenkt und bremst. Die Fahrenden können sich in dieser Zeit anderweitig beschäftigen und müssen die Fahrsituation nicht überwachen.

Doch was geschieht beim hochautomatisierten Fahren in einem Notfall, wenn sich ein Unfall nicht mehr vermeiden lässt?
In solchen Situationen müssen die Fahrzeuge in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen. Dafür müssen sie programmiert werden, Menschen müssen festlegen, wie das Auto reagieren soll. In rasender Geschwindigkeit kann die Maschine viele Möglichkeiten durchspielen und die Reaktion auswählen, die den größten Erfolg – bzw. den geringsten Schaden – verspricht. Unter Umständen wird das Fahrzeug jedoch ein Fahrmanöver auswählen, durch das ein Mensch verletzt oder getötet wird.

Hier stellen sich zahlreiche grundsätzliche Fragen: Welche ethischen und moralischen Prinzipien sollen für hochautomatisiertes Fahren gelten? Lässt es das Recht überhaupt zu, dass Maschinen Entscheidungen über Leben und Tod treffen? Und wer ist verantwortlich, wenn eine Maschine eine falsche Entscheidung trifft?
Ist es denkbar und wünschenswert, wenn automatisierte Fahrzeuge über eigene Charaktere verfügen, so wie es ja auch Fahrer und Fahrerinnen mit unterschiedlichem Temperament gibt? Und kann es sein, dass man eines Tages das händische Fahren verbietet, wenn sich das automatisierte Fahren als viel sicherer herausstellen sollte?
Wie sollten die notwendigen gesetzlichen Änderungen in der Gesellschaft debattiert werden?

Über diese brisanten Aspekte eines immer aktueller werdenden Themas wurde im 22. Forum des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) diskutiert, zu dem dessen Präsident Dr. Walter Eichendorf eingeladen hatte.

Der Schweizer Professor Dr. Oliver Bendel meinte: „Ich mag einfache, moralische Maschinen, aber komplexe, moralische Maschinen sind gefährlich.“

Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf von der Universität Würzburg vertrat die Ansicht, dass „Technik dem Menschen dienen soll und nicht umgekehrt. Solange dieser Grundsatz gewahrt wird, ist technische Innovation positiv zu bewerten.“

Prof. Dr. Jürgen Leohold Leiter der Konzernforschung Volkswagen AG vertrat die Auffassung, dass: „Automatische Fahrfunktionen würden viele Unfälle vermeiden und Leben retten, aber das technisch perfekte System sei Utopie.“

Prof. Dr. Volker Lüdemann von der Hochschule Osnabrück pointierte: „Die Ethik steckt im Algorithmus, der Teufel im Detail. Die Gesellschaft, nicht die Industrie, sollte entscheiden, mit welchen Vorgaben wir das selbstfahrende Auto ausstatten.“

Prof. Klaus Kompaß von BMW differenzierte: „Wir sprechen vom ‚automatisierten Fahren‘ und nicht vom ‚autonomen Fahren‘, weil die Fahrzeuge auch in den nächsten Generationen den Vorgaben der Entwickler und nicht eigenen Gesetzen und Moralvorstellungen folgen werden.“

Der BVfK-Vertreter Ansgar Klein richtete seine Frage vornehmlich an die Autohersteller: „Wie wollen Sie die Selbstfahr-Technik vor Manipulationen schützen, wenn Ihnen das nicht einmal beim Tacho gelingt?“ Die Reaktionen machten das Dilemma klar: Was hilft die ethisch programmierte Technik, wenn weniger ethische Kräfte Zugang zu dessen Software erlangen? Und seien wir uns darüber im Klaren, dass man dafür zukünftig nicht in ein Auto eindringen – nicht mal in dessen Nähe sein muss.

Auch die Politik kam zu Wort: Stephan Kühn, MdB von Bündnis 90 / Die Grünen Kirsten Lühmann, MdB der SPD und Sebastian Steineke, MdB der CDU / CSU Fraktion diskutierten über politischen Grundsätze und erforderliche Weichenstellungen für das autonome Fahren. Der Grünen-Vertreter konnte den Bogen zu den zuvor vorgetragenen Aspekten und Standpunkten am besten spannen, da er sich im Gegensatz zu den Vertretern der Koalitionsparteien die Zeit genommen hatte, an der gesamten Veranstaltung teilzunehmen …