Lieferengpässe durch Corona – Welche Rechte hat der Käufer und wie kann sich der Verkäufer schützen?

Lieferengpässe durch Corona

Welche Rechte hat der Käufer und wie kann sich der Verkäufer schützen?

Die Corona-Pandemie hat das Wirtschaftsleben nach wie vor fest im Griff.
Zu den vielen nachteiligen Auswirkungen zählt auch die
Lieferverzögerung von Bestellfahrzeugen. Dies ist im Grunde nicht verwunderlich, denn viele Unternehmen setzen auf Home-Office oder Kurzarbeit. Die Umsetzung von Hygiene- und Schutzmaßnahmen ist gerade in größeren Betrieben logistisch aufwendig und lähmt die Arbeitsprozesse. Nicht selten wird der Betrieb ganzer Produktionsstätten eingestellt. Und nicht zuletzt schränkt die zeitweise Schließung der Unionsgrenzen den Lieferverkehr stark ein. Nachfolgend soll umrissen werden, welche Rechte dem Käufer im Falle des Lieferverzugs zustehen sowie ob, und wenn ja wie, sich der Verkäufer vor in Betracht kommenden Ansprüchen schützen kann.

1. Grundsätzliches zur Unmöglichkeit der Lieferung

Der für den Verkäufer in den allermeisten Fällen positive Grundsatz „pacta sunt servanda“ (= „Verträge sind einzuhalten“) gilt natürlich auch in umgekehrter Richtung. Kann ein vereinbarter Liefertermin nicht eingehalten werden, bleibt der Verkäufer weiterhin zur Lieferung verpflichtet. Etwas anderes kann gelten, wenn dem Verkäufer unter Abwägung der Gesamtumstände nicht zugemutet werden kann, die Ware zu liefern. Dann liegt ein Fall der Unmöglichkeit vor, der den Verkäufer zwar von der Pflicht zur Lieferung befreit, ihn aber gleichzeitig schadensersatzpflichtig machen kann. Zu den Schadensersatzansprüchen können z.B. zählen:

• die Differenz zum Kaufpreis für ein ersatzweise erworbenes Fahrzeug („Deckungskauf“),
• ein Nutzungsausfallschaden für die entgangene Nutzungsmöglichkeit
• oder notwendige Aufwendungen für das vorübergehend weiterhin genutzte Altfahrzeug

2. Grundsätzliches zum Lieferverzug

Sofern die Lieferung weiterhin möglich und zumutbar sein sollte, sich allerdings verzögert, kommt einhergehend mit der verspäteten Auslieferung ggf. der Ersatz eines Verzugsschadens in Betracht. Außerdem kann der Käufer ggf. vom Kaufpreis zurücktreten und Schadensersatz anstelle der Lieferung verlangen. Eine Kaufpreisminderung ist hingegen nicht vorgesehen, da der Wert des Fahrzeugs durch die Lieferverzögerung nicht beeinflusst wird. Zusammengefasst kann der Käufer ggf. also

• vom Kaufvertrag zurücktreten und/oder Schadensersatz statt der Lieferung verlangen
• an der Lieferung festhalten und den Verzugsschaden verlangen

Die möglichen Schadensersatzpositionen stimmen mit den unter 1. genannten grundsätzlich überein, wobei ein Deckungskauf natürlich nur im Falle des Rücktritts in Betracht kommt.

Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen infolge eines Lieferverzugs setzt grundsätzlich voraus, dass der Verkäufer diesen zu vertreten hat. Ihm muss mindestens grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können, die z.B. vorliegen kann, wenn

• er das Fahrzeug in Kenntnis möglicher Belieferungsschwierigkeiten veräußert hat.
• er versäumt, einen Selbstbelieferungsvorbehalt mit dem Hersteller zu vereinbaren.

3. BVfK-Formulare: Risikominimierung durch Selbstbelieferungsvorbehalt ggü. dem Käufer

Sicherer fährt, wer die BVfK-Neuwagenvertragsformulare verwendet. Dort ist unter Ziffer IX. u.a. festgehalten:

„Kann der Verkäufer bzw. Vermittler den Kaufgegenstand unverschuldet gar nicht oder nur erheblich verspätet liefern (z.B. durch Nichtbelieferung durch den Vorlieferanten, Streik oder sonstige höhere Gewalt), obwohl er bei seinem Lieferanten eine deckungsgleiche Bestellung abgegeben hat, so wird er von der Pflicht zur Leistung frei […].“

Im Gegensatz zu den in anderen Vertragswerken häufig verwendeten Klauseln, wonach der Käufer nach Ablauf vertraglich festgelegter Fristen einen der Höhe nach begrenzten Schadensersatzanspruch geltend machen und vom Kaufvertrag zurücktreten kann, hat der BVfK sich für die händlerfreundlichste Variante entschieden, in der Schadensersatz nur in sehr engen Grenzen in Betracht kommt. Außerdem reicht nach dem Wortlaut der BVfK-Klausel bereits die Nichtbelieferung durch den Vorlieferanten aus, um den Verkäufer von seiner Lieferverpflichtung zu befreien. die Voraussetzungen höherer Gewalt müssen nicht zwingend vorliegen.

Höchstrichterliche Entscheidungen zur Zulässigkeit eines Selbstbelieferungsvorbehalts im freien Neuwagenhandel existieren bislang nicht. Aufgrund der Herstellerunabhängigkeit und der fehlenden Einflussmöglichkeiten dürften kaum entgegenstehende Gründe ersichtlich sein. Auch wenn ein gewisses Restrisiko nicht genommen werden kann, ist kein Fall bekannt, in dem die vorstehende Klausel beanstandet worden wäre. Gerade in Zeiten von Corona kann sie daher helfen, von den finanziellen Folgen etwaiger Lieferverzögerungen zu befreien!

Das BVfK-Neuwagenvertragsformular kann unter folgendem Link abgerufen werden:
>>>RA5 BVfK Neuwagenkauf 2021

4. Und ohne BVfK-Formular? Ist die Corona-Pandemie höhere Gewalt?

Der BGH definiert höhere Gewalt so:

„Ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“.

Von dieser weitgefassten Definition kann die Corona-Pandemie durchaus erfasst sein, sodass je nach verwendeter AGB-Klausel deutliche Ausweitungen der Lieferfristen möglich sind. Schadensersatzansprüche könnten außerdem ausgeschlossen oder begrenzt sein. Dies wäre je nach Einzelfall zu prüfen.

Ein wichtiger Punkt ist allerdings, dass ein Fall von höherer Gewalt wohl nicht mehr vorliegt, wenn der Verkäufer die Lieferverzögerungen absehen kann. Seit Beginn der Pandemie ist allerdings bekannt, dass Verzögerungen eintreten können. Der Verkäufer müsste sich also dahingehend entlasten können, einen Corona-bedingten Lieferverzug im Einzelfall nicht abgesehen haben zu können. Dies erscheint eher schwierig, weshalb ein genereller Hinweis der nachfolgenden Art in Verkaufsinseraten und Kaufverträgen nicht schaden kann:

„Aufgrund der Corona-Pandemie kann es mitunter zu erheblichen Lieferverzögerungen kommen.“

Lässt sich ein Anspruch des Käufers schlussendlich nicht abwenden, bliebe zu prüfen, ob der entstandene Schaden ggf. an den Lieferanten weitergereicht werden kann.

5. Abschließender Hinweis

Lieferverzögerungen sollten sehr ernst genommen werden. Vertragliche Regelungen zur Abmilderung der Rechtsfolgen sind nahezu unerlässlich, da Schadensersatzansprüche je nach Dauer der Verzögerung immens ausfallen können.

Geraten wird zur Verwendung der BVfK-Vertragsformulare, jedenfalls aber zur Aufnahme einer Klausel, die dem Verkäufer längere Ausweitungen des Lieferzeitraums einräumt. Auch wird – unabhängig von der Art des verwendeten Formulars (!) – dazu geraten, den unter 4. aufgeführten Hinweis zu verwenden. Da zwar das Ende des Lockdowns, nicht aber der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen abzusetzen ist, sollte von verbindlichen Lieferfristen Abstand genommen werden.

Im Falle einer Inanspruchnahme aufgrund eines Lieferverzugs steht die BVfK-Rechtsabteilung gerne beratend zur Seite.

Ihre BVfK-Rechtsabteilung

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