Verbreiten Vertragshändler „Garantie-Lügen“?

Verbreiten Vertragshändler „Garantie-Lügen“?
Werbeaktion der Werkstattkette ATU von Meinungsfreiheit gedeckt

Ob Neuwagen- oder Gebrauchtwagengarantie: Nach EU-Recht sowie nationaler Rechtsprechung gilt, dass die Beschränkung einer Fahrzeuggarantie in der Form, dass eine Wartung des mit der Garantie verbundenen Fahrzeugs in freien Werkstätten aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zum Erlöschen der Garantie führt, unwirksam ist. Die Werkstattkette ATU hatte den Umstand, dass Vertragswerkstätten hin und wieder Gegenteiliges behaupten, in einem Werbespot verarbeitet, gegen die ein Kfz-Verband gerichtlich vorging. Mit Erfolg?

Wie hatte ATU geworben?

Im streitgegenständlichen Video gibt eine fiktive ehemalige Mitarbeiterin einer nicht näher benannten Vertragswerkstatt ein Interview, in dem Sie eingesteht, „über 650 Männer betrogen zu haben“. Während man aufgrund der Aufmachung und des Wortlauts zunächst über die angewandten Methoden der Dame im Unklaren gelassen wird, folgt gegen Ende des Videos per schriftlicher Einblendung die Aufklärung:

„Ursula A., Mitarbeiterin einer Vertragswerkstatt“
„A.T.U. enthüllt: Die Garantie-Lüge!“
„Auch eine Inspektion bei A.T.U. erhält die Herstellergarantie – und das garantiert günstig!“

Der Werbespot ist in voller Länge unter diesem Link abrufbar (Quelle: Youtube).

Wie entschied das Gericht?

Mit der Werbebotschaft werde die Behauptung aufgestellt, Millionen Autofahrer seien jahrelang systematisch getäuscht worden, sodass eine kollektive Herabsetzung aller Hersteller festzustellen sei, so der klagende Verband. Dieser störte sich außerdem an dem Begriff „Garantie-Lüge“, bei dem es sich nach Auffassung des Verbands um eine unwahre Tatsachenbehauptung handle.

Das erstinstanzliche Gericht war jedoch laut einschlägiger Presseberichte anderweitiger Auffassung. Die beanstandeten Werbeaussagen sollen demnach von der Meinungsfreiheit abgedeckt sein. Es kann mangels bisheriger Veröffentlichung der Entscheidungsgründe nur gemutmaßt werden, dass ATU letztendlich darlegen konnte, dass Kunden von Markenwerkstätten tatsächlich des Öfteren mit der Behauptung konfrontiert werden, die Fahrzeuggarantie würde bei Wartung in freien Werkstätten entfallen. Bei einer derartigen Äußerung würde es sich tatsächlich um eine „Lüge“ handeln, die der Bindung des Kunden unter Vortäuschung falscher Tatsachen dient. Wie eingangs aufgezeigt, ist eine ausnahmslose Werkstattbindung nach EU-Recht grundsätzlich unzulässig. Insoweit ging das Gericht davon aus, es handle sich bei den Werbebotschaften um wahre Tatsachenbehauptungen.

Nachdem das Oberlandesgericht die vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung bestätigte, nahm der Verband die Berufung schließlich zurück.

Wie ist das Ganze rechtlich einzuordnen?

Werbemaßnahmen sind nur dann zulässig, wenn sie keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthalten, die geeignet sind, nachteilige Rechtsfolgen für Dritte zu entfalten. Sofern man also den wahren Tatsachenkern der getätigten Aussage nachweisen kann, genießt man den Schutz der Meinungsfreiheit, es sei denn, die Intimsphäre des durch die Aussage Betroffenen ist verletzt oder dieser sieht sich einer „Schmähkritik“ ausgesetzt. Von einer solchen ist dann auszugehen, wenn keine inhaltliche Auseinandersetzung in der Sache selbst erfolgt, sondern die ausschließliche Herabwürdigung des Angesprochenen im Fokus steht.

Zu guter Letzt soll der klagende Verband auch noch an der Klagebefugnis gescheitert sein: Die Berufungsinstanz war offenbar der Auffassung, der Verband sei von der vermeintlichen Herabsetzung nicht selbst betroffen, weshalb er nicht unmittelbar gegen die werbende Werkstattkette vorgehen könne.

Sobald die Entscheidungsgründe veröffentlicht werden, werden wir diese näher auswerten. Derartige Entscheidungen tragen dazu bei, dass die Zulässigkeit von Werbebotschaften eindeutiger bestimmt und eingegrenzt werden kann. Generell gilt: Haben Sie Fragen zur Zulässigkeit beabsichtigter Werbemaßnahmen, wenden Sie sich gerne an

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